Leitsatz (amtlich)
Bewilligt das Familiengericht einem Beteiligten irrtümlich Verfahrenskostenhilfe, kommt eine Aufhebung der bewilligten Verfahrenskostenhilfe nur unter den Voraussetzungen der §§ 76 Abs. 1, 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 124 ZPO in Betracht.
Normenkette
ZPO §§ 119, 124
Verfahrensgang
AG Marl (Beschluss vom 20.11.2015; Aktenzeichen 15 F 81/15) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der am 20.11.2015 erlassene Beschluss des AG - Familiengericht - Marl aufgehoben.
Gründe
I. Der Antragsteller beabsichtigte die Durchführung eines Vollstreckungsabwehrverfahrens. Hierfür hat er eine als Klage überschriebene Antragsschrift eingereicht und in dieser ausgeführt, er erhebe Klage und bitte um Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für den Vollstreckungsabwehrantrag. Gleichzeitig hat er die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung beantragt. Das AG hat diesen Schriftsatz der Antragsgegnerin zur Stellungnahme zum Einstellungsantrag zugestellt. Später hat der Antragsgegner noch Verfahrenskostenhilfe für einen modifizierten Einstellungsantrag beantragt. Auch die Antragsgegnerin hat für das Verfahren Verfahrenskostenhilfe beantragt.
Das AG hat die Verfahrenskostenhilfeanträge des Antragstellers mit Beschluss vom 31.03.2015 zurückgewiesen. Der Antragsgegnerin hat es dagegen mit Beschluss vom 06.05.2015 zunächst Verfahrenskostenhilfe bewilligt.
In der Folgezeit hat das AG die vom Antragsteller mit Schriftsatz vom 17.06.2015 vertretene Auffassung geteilt, dass der Antrag unter der Voraussetzung der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe gestellt worden sei. Mit Verfügung vom 30.06.2015 hat es der Antragsgegnerin mitgeteilt, dass der zu ihren Gunsten ergangene Verfahrenskostenhilfebeschluss gegenstandslos sei, da der allein rechtshängige Einstellungsantrag keine Kosten verursacht haben dürfte.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 20.11.2015 hat das AG den die Verfahrenskostenhilfe bewilligenden Beschluss vom 06.05.2015 aufgehoben und Verfahrenskostenhilfe nur für die Verteidigung gegen den Einstellungsantrag bewilligt.
Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde.
Das AG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die zulässige sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.
Dabei kann unentschieden bleiben, in welchem Umfang das Verfahren tatsächlich rechtshängig geworden ist. Denn entgegen der Auffassung des AG ging der Bewilligungsbeschluss vom 06.05.2015 auch dann nicht ins Leere, wenn der Vollstreckungsabwehrantrag nicht rechtshängig geworden ist.
Zwar ist grundsätzlich Verfahrenskostenhilfe für das Verfahrenskostenhilfeverfahren nicht oder jedenfalls nur in Ausnahmefällen zu bewilligen (vgl. Geimer, in: Zöller, Kommentar zur ZPO, 30. Aufl. 2014, zu § 114 ZPO Rn. 3 m.w.N.). Gleichwohl ist der Bewilligungsbeschluss für das Verfahrenskostenhilfeverfahren wirksam und nicht nichtig.
Für die Aufhebung der damit unabhängig von der Rechtshängigkeit des Antrags wirksam erfolgten Bewilligung fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage. Die Aufhebungsgründe des § 124 ZPO i.V.m. § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG sind abschließend; aus anderen als den dort genannten Gründen, darf die Verfahrenskostenhilfebewilligung nicht aufgehoben werden (OLG Köln, Beschl. v. 20.02.2003 - 14 WF 21/03 - MDR 2003, 771). Insbesondere können Rechtsirrtümer des Gerichts bei der Bewilligung nicht im Wege der Aufhebung korrigiert werden (vgl. Geimer, in: Zöller, a.a.O., zu § 124 ZPO Rn. 2 m.w.N.). Dies gilt grundsätzlich sowohl bei einer zunächst irrig angenommenen Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung (OLG Hamm, Beschl. v. 25.02.1994 - 8 WF 61/94 - FamRZ 1994, 1268) als auch bei einer anfänglich fehlerhaften Beurteilung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (OLG Saarbrücken, Beschl. v. 09.04.2009 - 6 WF 37/09 - FamRZ 2009, 1851).
Gründe dafür, den hier vorliegenden Fall der irrigen Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Verfahrenskostenhilfeverfahren abweichend zu beurteilen, sind nicht ersichtlich.
III. Eine Kostenentscheidung ist gem. §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 127 Abs. 4 ZPO nicht erforderlich.
Fundstellen