Leitsatz (amtlich)
1. Die Familiengerichte sind sachlich zuständig für die Feststellung einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung i.S.d. § 302 Nr. 1 InsO, wenn es um das Vorliegen einer vorsätzlichen Unterhaltspflichtverletzung gem. § 170 StGB geht.
2. Bei der Prüfung der §§ 823 Abs. 2 BGB, 170 StGB erstreckt sich die Rechtskraftwirkung des Unterhaltstitels darauf, dass von dem Bestehen einer Unterhaltsverpflichtung auszugehen ist. Nicht rechtskräftig festgestellt ist hingegen, dass die Unterhaltspflichtverletzung auf einer vorsätzlichen (unerlaubten) Handlung beruht. Dies führt dazu, dass im Rahmen des Verfahrens gem. § 302 Nr. 1 InsO die Frage der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners erneut sachlich zu prüfen ist.
3. Allerdings ist substantiierter Vortrag des Unterhaltsschuldners zu seinem fehlenden Vorsatz erforderlich, insbesondere auch dazu, aus welchen Gründen er evtl. leistungsunfähig gewesen ist.
Normenkette
InsO § 302 Nr. 1; BGB § 823 Abs. 2; StGB § 170; FamFG § 111 Nr. 8, §§ 10, 231, 266 Nrn. 3-4; ZPO § 513 Abs. 2; GVG § 23a
Verfahrensgang
AG Borken (Beschluss vom 29.09.2011; Aktenzeichen 31 F 60/11) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der am 29.9.2011 ver-kündete Beschluss des AG - Familiengericht - Borken abgeändert.
Es wird festgestellt, dass die unter lfd. Nr. 2 der Insolvenztabelle im Insolvenz-verfahren über das Vermögen des Antragsgegners - 161 IK 269/09 AG Essen - festgestellte Forderung i.H.v. 6.344 EUR auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung des Antragsgegners i.S.d. § 302 Nr. 1 InsO beruht.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.
Hinsichtlich der Kostenvollstreckung wird die sofortige Wirksamkeit angeord-net
Gründe
I. Der Antragsteller begehrt die Feststellung, dass eine zur Insolvenztabelle festgestellte Unterhaltsforderung gegen den Antragsgegner auf vorsätzlicher unerlaubter Handlung beruht.
Der Antragsgegner war seit dem 25.10.1996 mit Frau N verheiratet. Aus der Ehe sind die Kinder M, geb. 13.4.1997, M2, geb. 18.8.1999, und M3, geb. 28.8.2001, hervorgegangen. Die Eheleute trennten sich im Mai 2003. Die Ehe wurde durch das AG Borken durch Urteil vom 14.6.2005 geschieden. Nach der Trennung erbrachte der Antragsteller öffentliche Leistungen an die Ehefrau und die ehegemeinschaftlichen Kinder. In dem Verfahren - 32 F 33/04 AG Borken - machte der Antragsteller aus übergegangenem Recht Ansprüche auf Kindes- und Trennungsunterhalt für die Zeit ab 1.8.2003 gegen den Antragsgegner geltend. Durch Teilversäumnis- und Schlussurteil vom 8.3.2004 wurde der Antragsgegner verurteilt, an den Antragsteller rückständigen Unterhalt für die Zeit von August 2003 bis Februar 2004 i.H.v. 5.551 EUR einschließlich Zinsen sowie laufenden Unterhalt i.H.v. monatlich 793 EUR zu zahlen.
Durch Beschluss des AG Essen vom 16.12.2009 ist über das Vermögen des Antragsgegners das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Der Antragsteller meldete am 18.1.2010 eine Forderung i.H.v. insgesamt 23.821,90 EUR zur Insolvenztabelle an. Ein Teilbetrag von 6.344 EUR wurde als auf vorsätzlicher unerlaubter Handlung beruhend festgestellt. Zur Begründung wurde auf § 170 StGB verwiesen. Dagegen erhob der Antragsgegner Widerspruch, ohne die Forderung jedoch selbst zu bestreiten.
Der Antragsteller hat vorgetragen, das Familiengericht sei zuständig für die Feststellung, dass es sich um eine Forderung aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung handele. Diese sei eine sonstige Familiensache i.S.d. § 266 Abs. 1 Nr. 3 und 4 FamFG, da der geltend gemachte Unterhaltsanspruch seine Wurzeln in einem familienrechtlichen Verhältnis habe.
Durch den angefochtenen Beschluss hat das AG den Antrag im schriftlichen Verfahren mit der Begründung zurückgewiesen, es sei sachlich nicht zuständig. Bei dem Feststellungsantrag handele es sich nicht um eine Familiensache gem. § 23a Abs. 1 Nr. 1 GVG. Die Familiensachen seien in § 111 FamFG abschließend aufgezählt. Für die zu treffende Entscheidung sei wegen der Bindungswirkung des Versäumnisurteils von der Unterhaltspflicht des Antragsgegners auszugehen, und es seien lediglich die weiteren Voraussetzungen der § 823 Abs. 2 BGB und § 170 StGB zu prüfen. Diese Prüfungskompetenz falle in die Zuständigkeit der Zivilgerichte.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, der seinen erstinstanzlichen Antrag weiterverfolgt. Zur Begründung trägt er vor, die Zuständigkeit der Familiengerichte für den Feststellungsantrag ergebe sich schon aus einer Entscheidung des Senats vom 30.6.2010 - 8 UF 12/10 -, in der die Zuständigkeit des AG nicht in Zweifel gezogen worden sei. Dies entspreche auch der gefestigten Rechtsprechung aller Familiensenate des OLG Hamm. Die Voraussetzungen des § 170 StGB lägen im Übrigen vor.
Der Antragsteller beantragt, festzustellen, dass die unter lfd. Nr. 2 der Insolvenztabelle im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Antragsgegners - AG Essen 161 IK 269/09 - festgestellte Forderung i.H.v. 6.344 EEUR auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlun...