Leitsatz (amtlich)
Art und Ausgestaltung der Unterbringung von Sicherungsverwahrten in der JVA Werl begründen keinen Entschädigungsanspruch aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG. Es liegt weder ein entschädigungsrelevanter Verstoß gegen das Abstandsgebot vor, noch begründen die Ausstattung und Größe der Verwahrräume eine Verletzung der Menschenwürde oder des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.
Normenkette
BGB § 839 i.V.m. Art. 34 GG; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1; StVollzG §§ 129, 131, 144
Verfahrensgang
LG Arnsberg (Beschluss vom 08.06.2012; Aktenzeichen 4 O 119/12) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 9.7.2012 gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des LG Arnsberg vom 8.6.2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I. Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für eine Klage, mit der er das Land mit dem Vorwurf auf Zahlung einer Entschädigung in Anspruch nehmen will, die gegen ihn in der Justizvollzugsanstalt X vollzogene Sicherungsverwahrung missachte das Abstandsgebot zum Strafvollzug und begründe deshalb eine entschädigungspflichtige Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und der Menschenwürde.
Das LG hat die nachgesuchte Prozesskostenhilfe mit näherer Begründung mangels hinreichender Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung verweigert. Dagegen richtet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde, der das LG mit begründetem Beschluss nicht abgeholfen hat.
Wegen der weiteren Einzelheiten - auch des wechselseitigen Beschwerdevorbringens - wird auf die jeweiligen Sachverhaltsdarstellungen zu Ziff. I. im angefochtenen Beschluss vom 8.6.2012 und im Nichtabhilfebeschluss vom 27.7.2012 sowie die Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
II. Die gem. § 127 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet. Das LG hat dem Antragsteller im Ergebnis zu Recht die nachgesuchte Prozesskostenhilfe verweigert.
1. Die nach dem Urteil des BVerfG vom 5.2.2004 (2 BvR 2029/01, veröffentlicht u.a. in NJW 2004, 739) maßgebliche rechtliche Ausgangslage ist zwischen den Parteien nicht streitig und vom LG auch zutreffend seiner Beurteilung zugrunde gelegt worden. Richtig hat das LG im Nichtabhilfe-beschluss zudem hervorgehoben, dass nach der Rechtsprechung des BVerfG als Vergleichsmaßstab für die Beurteilung der Einhaltung des Abstandsgebotes auf die Unterbringungsbedingungen im regulären Strafvollzug abzustellen ist (BVerfG, Urteil vom 4.5.2011, 2 BvR 2333/08 u.a., veröffentlicht u.a. in NJW 2011, 1931; Rz. 115 zitiert nach juris).
Allerdings ist die Freiheitsorientierung des Vollzugs der Sicherungsverwahrung im Blick zu behalten. Das bedeutet, dass das Leben im Vollzug den allgemeinen Lebensverhältnissen außerhalb des Vollzugs anzupassen ist, soweit Sicherheitsbelange nicht entgegenstehen, wobei Beschränkungen nur zulässig sind, die zur Reduzierung der Gefährlichkeit erforderlich sind (vgl. BVerfG, Urteil vom 4.5.2011, a.a.O., Rz. 108 zitiert nach juris).
Hervorzuheben ist schließlich, dass der Staat den grundrechtlichen Anspruch von Sicherungsverwahrten auf einen in deutlichem Abstand zum Strafvollzug auszugestaltenden Vollzug der Sicherungsverwahrung nicht nach freiem Belieben verkürzen kann und demgemäß die zuständigen Anstalten und ihre Träger gehalten sind, besondere Anstrengungen zum Ausgleich eines Mangels und zur zügigen Abhilfe zu ergreifen, soweit aufgrund unzureichender Ausstattung von Haftanstalten Beeinträchtigungen drohen (oder schon zu verzeichnen sind), die normalerweise von Rechts wegen nicht hinnehmbar sind. Das BVerfG hat insoweit im Beschluss der 3. Kammer des 2. Senats v. 12.7.2012 - 2 BvR 1278/10 - folgendes ausgeführt (zitiert nach juris Rz. 15 und 16):
Den grundrechtlichen Anspruch von Sicherungsverwahrten auf einen demgemäß ausgestalteten Vollzug kann der Staat - unabhängig davon, dass dem Gesetzgeber für eine entsprechende Neuregelung des Rechts der Sicherungsverwahrung eine Übergangsfrist eingeräumt ist (vgl. BVerfGE 128, 326 [332]) - bereits gegenwärtig nicht nach freiem Belieben verkürzen. Die Grundrechte setzen Maßstäbe für die notwendige Beschaffenheit staatlicher Einrichtungen. Der Staat ist verpflichtet, Vollzugsanstalten in der zur Wahrung der Grundrechte erforderlichen Weise auszustatten (vgl. BVerfGE 40, 276 [284]; 45, 187 [240]; BVerfGK 13, 163 [168 f.]; 13, 487 [492 f.] m.w.N.). Sind vorhandene Vollzugseinrichtungen und deren Ausstattung so beschaffen, dass Rechte der Gefangenen nicht gewahrt werden können, ohne dass dadurch Rechte anderer Gefangener oder sonstige Belange von vergleichbarem Gewicht beeinträchtigt werden, so folgt auch hieraus nicht, dass die insoweit auf der einen oder anderen Seite unvermeidlichen Beeinträchtigungen ohne weiteres und unabhängig von laufenden Bemühungen um kurzfristige Abhilfe als rechtmäßig hinzunehmen wären (vgl. BVerfGK 13, 487 [493] m.w.N.). Die Frage, wie mit derartigen Notsituationen umzugehen ist, stellt sich im Übrigen erst, wenn feststeht, dass ...