Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Rechtsweg. Pressearbeit der Ermittlungsbehörden
Leitsatz (amtlich)
Der Senat hält aus Zweckmäßigkeitserwägungen und zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes angesichts der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 27. Juli 2017, 2 ARs 188/15 -, Rn. 14 - 22, juris) nicht mehr an seiner Rechtsprechung (vgl. Senat, Beschluss vom 30. März 2017, III-1 VAs 1/17, Rn. 14, juris) fest, dass die Pressearbeit der Strafverfolgungsbehörden grundsätzlich einer Klärung im Verfahren auf gerichtliche Entscheidung gemäß der §§ 23 ff. EGGVG zugänglich ist. Zuständig sind insoweit die Verwaltungsgerichte gemäß § 40 VwGO.
Normenkette
EGGVG §§ 23 ff.; VwGO § 40
Tenor
Hinsichtlich der Anträge vom 31. August 2021 wird das Verfahren gemäß § 17a Abs. 2 GVG an das jeweils zuständige Verwaltungsgericht verwiesen, und zwar betreffend die Person des Ministers der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen Y an das Verwaltungsgericht Düsseldorf sowie im Übrigen an das Verwaltungsgericht Köln.
Der Antrag vom 04. Oktober 2021 wird unter Festsetzung eines Geschäftswertes von 882.873,02 € bezogen auf jeden der Betroffenen als unzulässig verworfen.
Gründe
I.
Die Betroffenen sind jeweils Partner der A GmbH und waren beide in der Geschäftsleitung der A KGaA mit Sitz in Hamburg (im Folgenden: A-Bank) tätig. Gegen beide sind bei der Staatsanwaltschaft Köln seit dem Jahr 2016 strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Steuerhinterziehung unter dem Az. 113 Js 522/16 im Rahmen sogenannter "Cum-Ex"-Aktiengeschäfte anhängig.
Mit ihren Anträgen auf gerichtliche Entscheidung wenden sie sich jeweils unter Geltendmachung einer vermeintlichen Verletzung der zu ihren Gunsten wirkenden Unschuldsvermutung einerseits mit Anträgen auf Feststellung der Rechtswidrigkeit (Anträge vom 31. August 2021) gegen
die Mitwirkung und jeweils dezidiert aufgeführte Äußerungen
des Ministers der Justiz des Landes NRW Y,
des Präsidenten des LG Bonn X sowie
der Oberstaatsanwältin Z, Staatsanwaltschaft Köln,
an bzw. in einer am 07. Juni 2021 im ersten Fernsehprogramm der ARD ausgestrahlten und vom WDR und NDR produzierten Fernsehdokumentation zu den so genannten "Cum-Ex"-Ermittlungsverfahren mit dem Titel "Der Milliardenraub: Eine Staatsanwältin jagt die Steuermafia" (Anträge zu I.),
die (vermeintliche) Entscheidung der Staatsanwaltschaft Köln, die Verwendung von angeblichen Zitaten aus sichergestellten Tagebüchern des Betroffenen zu 1. in dem vorgenannten Dokumentarfilm faktisch zu gestatten (...) und zu unterstützen (Antrag zu II.),
die (vermeintliche) Entscheidung sämtlicher Antragsgegner, die dauerhafte Verwendung des vorgenannten Dokumentarfilms durch öffentliche Zugänglichkeit in der "ARD Mediathek" zu gestatten (Antrag zu III.), und
die Weigerung des Ministers der Justiz des Landes NRW Y zur Abgabe einer dienstlichen Äußerung betreffend die Mitwirkung sämtlicher Antragsgegner an dem genannten Dokumentarfilm (Antrag zu IV.),
sowie andererseits (Antrag vom 4. Oktober 2021)
gegen die Rechtmäßigkeit einer im September 2021 vermeintlich ergangenen Weisung des Ministeriums der Justiz des Landes NRW an die Generalstaatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht Köln sowie an die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Köln, in einem näher bezeichneten Ermittlungsverfahren Durchsuchungen bei einem namentlich näher benannten Beschuldigten sowie von Diensträumen des Finanzamts Hamburg zu beantragen und durchzuführen.
Zum Hintergrund der in der Antragsschrift nicht näher erläuterten "Cum-Ex"-Verfahren, die Gegenstand der monierten Fernsehsendung sind, ist anzuführen, dass nach dem Kenntnisstand des Senats insoweit bisher eine rechtskräftige Verurteilung vorliegt.Mit Urteil des Landgerichts Bonn vom 18. März 2020 (62 KLs - 213 Js 41/19 - 1/19) wurden zwei Börsenhändler wegen der Mitwirkung an in Absprache mit Verantwortlichen der A-Bank getätigten "Cum-Ex"-Geschäften zu Bewährungsstrafen verurteilt, gleichzeitig wurde gegen die A-Bank als Einziehungsbeteiligte die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 176.574.603 Euro, davon in Höhe von 166.574.603 Euro als Gesamtschuldnerin, angeordnet. Das Urteil ist nach Verwerfung der Revision durch Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28. Juli 2021 (1 StR 519/20) rechtskräftig.Nach den Feststellungen des vorgenannten Urteils (nachfolgend sinngemäß zitiert nach der Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs zum Urteil vom 28. Juli 2021) kaufte die A-Bank in der jeweiligen Dividendensaison der Jahre 2007 bis 2011 von Leerverkäufern jeweils kurz vor dem Hauptversammlungstag Aktien mit Dividendenanspruch (sog. "Cum-Aktien"); die Leerverkäufer lieferten - wie von vornherein geplant und auch gewollt - Aktien ohne Dividendenanspruch (sog. "Ex-Aktien") und leisteten zur Kompensation an die Bank je eine Ausgleichszahlung (sog. Dividendenkompensationszahlung), für die ab dem Jahr 2007 Kapitalertragsteuer zu entrichten ist. Allen handelnden Beteiligten war als Bankkaufleuten bekannt, dass d...