Leitsatz (amtlich)
An einem von außen auf den Körper wirkenden Ereignis i.S.d. Ziff. 1.3 AUB bzw. § 178 Abs. 2 VVG fehlt es, wenn die erlittene Gesundheitsschädigung allein auf eine plangemäß ausgeführte und von außen ungestörte Kraftanstrengung der versicherten Person zurückzuführen ist.
Deshalb stellt die bloße Kraftanstrengung beim Anheben eines schweren Gegenstands kein von außen wirkendes Ereignis dar, weil der im Wege der Kraftanstrengung zu überwindenden Schwerkraft des Objektes, das allein Gegenstand der Bemühungen der versicherten Person ist, jegliches dynamisches Element fehlt.
Verfahrensgang
LG Essen (Urteil vom 08.03.2012; Aktenzeichen 18 O 226/11) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 8.3.2012 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des LG Essen wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Das Urteil des LG ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Der im Jahr 1956 geborene Kläger nimmt die Beklagte aus einer seit dem Jahr 2002 bestehenden Unfallversicherung in Anspruch, der ausweislich der Ausfertigung des Versicherungsscheins vom 30.7.2010 (Bl. 7d. Akte) die AUB 2000 der Beklagten zugrunde liegen. Nach dieser Versicherung schuldet die Beklagte im Falle der Vollinvalidität aufgrund der vereinbarten 300-prozentigen Progression eine Invaliditätssumme in Höhe der Klageforderung von 306.775,14 EUR.
Anspruchsvoraussetzung ist nach Ziff. 2.1.1.1 AUB 2000, dass die Invalidität als dauerhafte Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit auf einem Unfall beruht. Ein Unfall liegt nach Ziff. 1.3 AUB 2000 vor, "wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis (Unfallereignis) unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet."
Als Unfall gilt nach Ziff. 1.4 AUB 2000 auch, "wenn durch eine erhöhte Kraftanstrengung an Gliedmaßen oder Wirbelsäule ein Gelenk verrenkt wird oder Muskeln, Sehnen, Bänder oder Kapseln gezerrt oder gerissen werden."
Wegen der weiteren Regelungen der AUB 2000 wird auf die zur Akte gereichte Kopie (Bl. 10 ff. d.A.) Bezug genommen.
Der Kläger erlitt am 22.9.2009 eine Gehirnblutung, während er seiner Tätigkeit als Haustechniker der Firma R in E nachging. Ausweislich des ärztlichen Berichts des A Krankenhauses vom 23.10.2009 (Bl. 64 ff. d.A.) wurde der Kläger vom 22.9. bis zum 20.10.2009 stationär versorgt, wobei er bis zum 5.10.2009 auf der Stroke-Unit verblieb. Im Anschluss unterzog er sich bis zum 9.12.2009 einer stationären Rehabilitationsmaßnahme im neurologischen Rehabilitationszentrum G in B und wurde von dort arbeitsunfähig entlassen.
Der Kläger nahm zunächst die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft auf Entschädigungsleistungen wegen eines Arbeitsunfalls in Anspruch, welche seinen Antrag mit Bescheid vom 16.6.2010 ablehnte, worauf der anwaltlich vertretene Kläger Widerspruch einlegte. Wegen des Verwaltungsverfahrens sowie der dort vorgelegten Gutachten (neurochirurgisches Fachgutachten von Professor Dr. S vom Universitätsklinikum E vom 27.12.2010, Blatt 71 ff. der Akte, neurologisches Gutachten der Neurologin P vom 3.3.2011, Blatt 85 ff. der Akte - jeweils 70 % Erwerbsminderung) wird auf die vom Senat beigezogene Akte der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft verwiesen.
Daneben erwirkte der Kläger aufgrund des Ereignisses vom 22.9.2009 die Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente von der D, die diese Rente indes mit Bescheid vom 12.1.2011 zunächst bis zum 30.6.2012 befristete (Blatt 104 der Akte).
Mit Schadenanzeige vom 14.7.2010 (Anlage B 1 zur Klageerwiderung vom 20.9.2011) meldete der Kläger der Beklagten das Ereignis vom 22.9.2009 als versichertes Unfallereignis. Dabei schilderte er das Ereignis wie folgt:
"Beim Tragen schwerer Chlorkanister (2 Stck je 35 kg) für das Schwimmbad bemerkte ich plötzlich einen starken Druck im Kopf und mir wurde schwindelig. Zum Glück war sofort ein Arzt zur Stelle, der umgehend den Notarzt verständigte. Von dort aus kam ich ins Krankenhaus mit starker Hirnblutung und linksseitiger Lähmung."
Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 22.7.2010 Leistungen aus der Unfallversicherung mit Hinweis darauf ab, dass es an einem von außen wirkenden Ereignis im Sinne der Unfalldefinition fehle (Anlage B 3), worauf der Kläger anwaltliche Hilfe in Anspruch nahm.
Der Kläger hat behauptet, er habe am Schadentag kurz vor Dienstschluss zwei große, jeweils 35 kg schwere Kanister zum Schwimmbad transportieren wollen. Einer der beiden Kanister sei dabei mit Chlor, der andere mit PH-Senker gefüllt gewesen, wobei es sich um jeweils giftige Substanzen handele, die im Falle einer Vermischung explosiv reagierten. Er habe beide Kanister von einem Ziehwagen gehoben und sich so, mit je einem Kanister in jeder Han...