Leitsatz (amtlich)
1. Hat ein Gesellschafter einer GmbH einem Dritten eine über den Tod hinaus geltende Vollmacht erteilt, ihn in der Gesellschafterversammlung zu vertreten und die ihm zustehenden Rechte auszuüben, kann nach dem Tod des Gesellschafters und vor Änderung der Gesellschafterliste der Vertreter wirksam zu Gesellschafterversammlungen geladen werden. Der Vertreter kann für den verstorbenen Listengesellschafter dessen Rechte gegenüber der Gesellschaft wahrnehmen.
2. Etwaige Beschlussmängel kann der Erbe des in der Gesellschafterliste eingetragenen Gesellschafters im eigenen Namen gerichtlich geltend machen.
3. Ein Einberufungsmangel zur Gesellschafterversammlung einer GmbH liegt nicht vor, wenn für den zur Einberufung berechtigten Geschäftsführer ein von diesem beauftragter Rechtsanwalt handelt, jedenfalls sofern aus der Ladung hervorgeht, dass der Zuständige Urheber der Einberufung ist.
4. Im Wege der einstweiligen Verfügung kann nach nichtiger oder anfechtbarer Einziehung eines Geschäftsanteils nicht die Zuordnung eines Widerspruchs zur Gesellschafterliste verlangt werden, wenn der eingezogene Geschäftsanteil anschließend in der Gesellschafterliste weder der Gesellschaft noch einer anderen Person zugeordnet worden ist. Der Widerspruch ließe die von der Gesellschafterliste ausgehende Legitimationswirkung unberührt, und für die Besorgnis eines gutgläubigen Erwerbs des Geschäftsanteils fehlt es an der Grundlage.
Normenkette
BGB § 164; GmbHG § 16 Abs. 1, 3, § 49 Abs. 1; ZPO § 51 Abs. 1, §§ 935, 940.
Verfahrensgang
LG Münster (Aktenzeichen 024 O 47/19) |
Tenor
Die Berufung der Verfügungskläger gegen das am 09.08.2019 verkündete Urteil des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.
Die Verfügungskläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Verfügungskläger (im Folgenden: Kläger) verlangen mit ihrer Berufung in Abänderung des angefochtenen Urteils die Stattgabe ihrer Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit dem Inhalt, dem Verfügungsbeklagten (im Folgenden: Beklagten) aufzugeben, es zu unterlassen, als Geschäftsführer der N GmbH tätig zu werden, und einen Widerspruch gegen die inzwischen eingereichte geänderte Gesellschafterliste im Handelsregister anzuordnen.
Mit Gesellschaftsvertrag vor dem Notar Dr. H in E vom 03.03.1997 (UR-Nr. .../1997) gründeten Herr C mit einem Anteil am Stammkapital von 40.000,- DM (40 %), der Beklagte mit einem Anteil von 30.000,- DM (30 %) und Herr W mit einem Anteil von 30.000,- DM (30 %) die N GmbH mit Sitz in O. Gegenstand des Unternehmens sind gemäß § 2 die Herstellung und der Vertrieb von Maschinen auf dem Gebiet der Verpackungstechnik sowie alle diesen Gesellschaftszweck fördern-den Hilfs- und Nebengeschäfte. Die §§ 5 und 6 enthalten Regelungen zu der Geschäftsführung und Vertretung sowie zur Gesellschafterversammlung und zu Gesellschafterbeschlüssen, die §§ 9 und 10 Regeln zur Abtretung/Einziehung von Geschäftsanteilen. Wegen der Einzelheiten der Satzung wird ergänzend auf die Anlage AS 6, Bl. 57 ff. d. A., verwiesen.
Gemäß der auch noch im April 2019 gültigen Gesellschafterliste vom 26.10.2010 (Anlage AS 4, Bl. 35 d. A.) war mittlerweile neben Herrn C und dem Beklagten mit deren jeweils gleich gebliebenen Anteilen am Stammkapital die Firma N GmbH selbst Halterin des ursprünglich Herrn W zustehenden Anteils am Stammkapital von 30.000,- DM (30 %). Der Kläger zu 2. war/ist Prokurist des Unternehmens.
Bereits am 10.03.2006 hatte Herr C dem jetzigen Kläger zu 1. und Prozessbevollmächtigten des Klägers zu 2. eine Vollmacht mit dem folgenden Wort-laut erteilt (Anlage AS 2, Bl. 33 d. A.):
"Hiermit erteile ich, C, geb. 26.02.1958, in meiner Eigenschaft als Gesellschafter der N GmbH, Herrn Rechtsanwalt und Dipl.-Kaufmann T, D-Straße ..., ... U, Vollmacht, mich anlässlich zukünftiger Gesellschafterversammlungen der N GmbH zu vertreten und die mir als Gesellschafter zustehenden Rechte in diesen Gesellschafterversammlungen auszuüben.
Des Weiteren erteile ich Herrn Rechtsanwalt und Dipl.-Kaufmann T Vollmacht, meine Interessen als Gesellschafter der N GmbH ggfs. vor Gericht, wahrzunehmen.
Diese Vollmacht gilt bei Geschäftsunfähigkeit durch Krankheit oder sonstiger physi-scher Verhinderung, die 30 Tage überschreiten und gilt auch über meinen Tod hinaus. Die Vollmacht kann jederzeit widerrufen werden."
Ebenfalls am 10.03.2006 hatte Herr C ein privatschriftliches Testament verfasst, in dem er unter Widerruf aller früheren Verfügungen von Todes wegen den Kläger zu 2. als seinen "Lebenspartner und Freund" zu seinem alleinigen Erben einsetzte. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Urkunde in Anlage zum Protokoll des Landgerichts vom 09.08.2019 (Bl. 270 d. A.) verwiesen.
Am 30.04.2019 verstarb Herr C in Essen (Sterbeurkunde Anlage AS 3, Bl. 34 d. A.). Zu jenem Zeitpunkt war er alleiniger Geschäftsführer der N GmbH. Der Senat hatte nämlich in einem Rechtsstreit mit dem Az. 8 U 61/09 durch Urteil vom 25.11.2009 (Anlage AS 5, Bl. 36 f...