Leitsatz (amtlich)
Für die Zeit einer häuslichen Quarantäne kann einem Profifußballer ein arbeitsrechtlicher Vergütungsanspruch gem. § 611a BGB gegen den ihn beschäftigenden Verein, seinen Arbeitgeber, zustehen, wenn er nach der Einstellung des regulären Spiel- und Trainingsbetriebs einen vom Verein vorgegebenen häuslichen Trainingsplan zu befolgen hat. Ein Vergütungsanspruch gem. § 615 BGB kommt in Betracht, wenn die Quarantäne aus betriebsbezogenen Gründen angeordnet werden musste, z.B. weil der unter Quarantäne gestellte Spieler während des Trainings Kontakt zu einem mit Corona infizierten Mitspieler hatte. Bei einer 14-tägigen Quarantäne kann der Spieler zudem für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit an seiner Arbeitsleistung gehindert gewesen sein, so dass ihm ggfls. ein Vergütungsanspruch gem. § 616 BGB zustünde. Die Voraussetzungen für eine Entschädigung des Vereins als Arbeitgeber gem. 56 IfSG liegen nicht vor, wenn er aus einem der genannten Gründe zur Zahlung der - nunmehr als Entschädigung verlangten - Vergütung an den Spieler verpflichtet war.
Normenkette
BGB §§ 611a, 615-616; IfSG § 56
Verfahrensgang
LG Münster (Aktenzeichen 8 O 345/20) |
Tenor
Auf die Berufung des beklagten Landes wird an das am 15.04.2021 verkündete Urteil des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des Landgerichts Münster abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
(ohne Tatbestand gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO)
I. Die zulässige Berufung des beklagten Landes hat in der Sache Erfolg und führt zur Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung dahin, dass die Klage insgesamt abzuweisen ist.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist nach der zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 08.07.2020 geltenden Fassung des § 68 IfSG für Streitigkeiten über Entschädigungsansprüche nach den § 56 IfSG noch der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben.
In der Sache ist die Klage aber unbegründet. Der Klägerin steht kein Anspruch gegen das beklagte Land aus § 56 Abs. 5 S. 2 IfSG i.V.m. §§ 30 Abs. 1 S. 2, 56 Abs. 1 S.1 und 2, Abs. 2 und Abs. 5 S. 1 IfSG auf Erstattung des von ihr an ihren Spieler A für die Zeit vom 13.03.2020 bis 27.03.2020 gezahlten Nettogehalts und für diesen entrichteten Rentenversicherungsbeitrages zu, weil die Klägerin nicht schlüssig dargelegt und nachgewiesen hat, dass dem Zeugen durch die vom Gesundheitsamt des Kreises B gemäß § 30 Abs. 1 S. 2 IfSG gegen ihn für diesen Zeitraum angeordnete Absonderungsverfügung ein Verdienstausfall entstanden ist.
Ein Erstattungsanspruch des Arbeitgebers nach § 56 Abs. 5 S. 2 IfSG setzt voraus, dass die Leistungen, die der Arbeitgeber an seine Arbeitnehmer erbracht hat, eine Entschädigung im Sinne des § 56 Abs. 1 IfSG darstellen. Dem betroffenen Arbeitnehmer muss also ein Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1 IfSG zugestanden haben. Dies wäre vorliegend gemäß § 56 Abs. 1 S. 1 und 2 IfSG nur dann der Fall, wenn dem Zeugen A infolge der behördlich gegen ihn für die Zeit vom 13.03. bis 27.03.2020 angeordneten häuslichen Quarantäne ein Verdienstausfall entstanden wäre. Ein solcher liegt dann nicht vor, wenn dem Arbeitnehmer für den fraglichen Zeitraum ein vertraglicher oder gesetzlicher Anspruch auf Fortzahlung seines Lohnes oder Gehaltes gegen den Arbeitgeber zusteht. Das Nichtbestehen solcher anderweitigen Ansprüche ist mithin (negatives) Tatbestandsmerkmal für den Entschädigungsanspruch aus § 56 Abs. 1 IfSG (Bales/Baumann, Infektionsschutzgesetz, § 56 Rn. 5; VG Karlsruhe, Urteil vom 10.05.2021, 9 K 67/21 - Rz. 67 juris).
Bereits an dieser Voraussetzung des Entschädigungsanspruchs fehlt es vorliegend. Denn die Klägerin hat nach dem Ergebnis der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme nicht den ihr obliegenden Beweis dafür erbringen können, dass dem Zeugen A für den Zeitraum der Quarantäneanordnung nicht sein vertraglich vereinbarter Verdienstanspruch zustand, weil er die von ihm vertraglich geschuldete Arbeitsleistung nicht erbracht hat (1.). Doch selbst wenn man davon ausginge, dass der Zeuge A während der Quarantänezeit seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung ganz oder teilweise nicht erbringen konnte, hätte ihm ein Anspruch gegen die Klägerin auf Fortzahlung seines Gehaltes aus § 615 Satz 3 i.V.m. Satz 1 BGB (2.) oder aber jedenfalls aus § 616 Satz 1 BGB (3.) zugestanden.
1. Nach dem Ergebnis der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme ist davon auszugehen, dass dem Zeugen A auch für die Zeit der Quarantäneanordnung sein mit der Klägerin vertraglich vereinbarter Vergütungsanspruch zugestanden hat, weil er auch in dieser Zeit die von ihm vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbracht hat.
Zwar ist dem Landgericht darin Recht zu geben, dass der Zeuge A während der Zeit der Quarantäneanordnung sicherlich eine Vielzahl von einzelnen Arbeitstätigkeiten, die er aufgrund des mit der Klägerin geschlossenen Profifußballspielervertrages vor der Einstellung des gewöhnliche...