Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Umgangsrecht des biologischen Vaters
Leitsatz (amtlich)
1) Gemäß § 1686a BGB hat der biologische - jedoch nicht rechtliche - Vater, der ernsthaftes Interesse an dem Kind gezeigt hat, ein Umgangsrecht, wenn der Umgang dem Kindeswohl dient, wenn also der Umgang für das Kindeswohl förderlich ist. Diese Voraussetzung ist auch dann nicht erfüllt, wenn zwar aus psychologischer Sicht ein offener Umgang mit der Situation einer von der rechtlichen und sozialen Vaterschaft abweichenden Abstammung eines Kindes und insbesondere eine frühzeitige Aufklärung des Kindes hierüber wünschenswert ist, jedoch angesichts ernsthafter und erheblicher psychischer Widerstände und Ängste der rechtlichen und sozialen Eltern gegen den biologischen Vater das bestehende Familiensystem, in dem das Kind lebt, durch das "Auftauchen" des biologischen Vaters beeinträchtigt würde.
2) § 1686a BGB bietet keine Grundlage, um die rechtlichen und sozialen Eltern zur Inanspruchnahme von Beratung oder familientherapeutischen Maßnahmen zur Vorbereitung von Umgangskontakten des Kindes mit dem biologischen Vater zu verpflichten.
3) Die in dieser Sache vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte mit Urteil vom 21.12.2010 (Individualbeschwerde Nr. 20578/07) geforderte Prüfung, ob der Umgang zwischen den Kindern und dem Antragsteller dem Wohl der Kinder dient, wurde nunmehr vorgenommen; Ergebnis ist, dass der Umgang dem Kindeswohl nicht dient und deshalb dem Antragsteller weiterhin ein Umgangsrecht nicht einzuräumen ist.
Normenkette
BGB § 1686a
Verfahrensgang
AG Baden-Baden (Beschluss vom 08.03.2013; Aktenzeichen 6 F 80/11) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Antragsgegner wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Baden-Baden vom 8.3.2013 - 6 F 80/11, abgeändert:
Der Antrag des Antragstellers auf Regelung des Umgangs mit den Kindern ... und ... B. wird zurückgewiesen.
2. Von der Erhebung der Gerichtskosten für die Sachverständigengutachten wird abgesehen. Im Übrigen tragen die Gerichtskosten beider Instanzen der Antragsteller und die Antragsgegner je hälftig. Die außergerichtlichen Kosten werden gegeneinander aufgehoben.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
4. Der Verfahrenswert wird für das Beschwerdeverfahren auf 3.000 EUR OLG Frankfurt, festgesetzt.
Gründe
I. Das Verfahren betrifft den vom Antragsteller E. begehrten Umgang mit den Zwillingen ... und ... B., geboren am ... 2005.
Der Antragsteller ist nigerianischer Staatsangehöriger. Er reiste im Jahr 2003 nach Deutschland ein und beantragte Asyl. Er wurde zunächst zur Unterbringung dem Wohnort der Familie B. zugewiesen.
Die Antragsgegner,... und ... B., sind verheiratet. Aus ihrer Ehe sind die Kinder ...,... und ... hervorgegangen. Etwa ab dem Jahr 2003 unterhielt Frau B. eine Liebesbeziehung zum Antragsteller. Herr B. erfuhr hiervon etwa im September 2004. Im Frühjahr 2005 wurde Frau B. mit den Zwillingen schwanger. Herr und Frau B. beschlossen zunächst, sich zu trennen, entschieden aber später, ihre Ehe doch fortzusetzen. Am 6.8.2005 teilte Frau B. dem Antragsteller mit, dass sie die Beziehung mit ihm beende.
Die Zwillinge ... und ... wurden am ... 2005 geboren. Gesetzlicher Vater ist gem. § 1592 Nr. 1 BGB Herr B.
Der Antragsteller hält sich für den biologischen Vater. In verschiedenen gerichtlichen Verfahren wurde davon ausgegangen, dass der Antragsteller biologischer Vater der Zwillinge ist. Im Verfahren des AG Baden-Baden, Az. 6 F 27/06, führte die Gutachterin K. aus: "Nach Einzelgesprächen mit Frau B. und Herrn E. und Gesprächen mit dem Ehepaar ... B. kann festgestellt werden: Die Kinder ... und ... B. sind die leiblichen Kinder aus einer zwei Jahre dauernden Beziehung zwischen Frau B. und Herrn E.". Im Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 21.12.2010, Rechtssache Nr. 20578/07, wird festgestellt: "Der Beschwerdeführer (E.) ist der leibliche Vater der Zwillinge". Die Eheleute B. sind dem zu keinem Zeitpunkt ausdrücklich entgegengetreten. Sie haben im vorliegenden Verfahren mehrfach schriftlich erklärt bzw. erklären lassen, dass die biologische Vaterschaft des Antragstellers nicht mehr in Frage gestellt werde; im Rahmen der mündlichen Anhörung haben sie eine Erklärung zu dieser Frage verweigert.
Die gem. § 1592 Nr. 1 BGB bestehende rechtliche Vaterschaft des Herrn B. wurde nicht angefochten. Die Zwillinge wachsen seit ihrer Geburt gemeinsam mit ihren älteren Geschwistern in der Familie B. auf. Nach Angaben der Eheleute B. wurden sie bisher nicht darüber aufgeklärt, dass Herr B. nicht ihr biologischer Vater ist; die Zwillinge hätten insoweit bisher auch nicht nachgefragt.
Der Asylantrag des Antragstellers wurde noch im Jahr 2003 abgelehnt. Im weiteren Verlauf beantragte der Antragsteller eine Aufenthaltserlaubnis und wandte sich gegen eine mögliche Abschiebung u.a. mit der Begründung, er wolle Umgangskontakte mit den Zwillingen herstellen und ausbauen. Letztendlich blieben die aufe...