Entscheidungsstichwort (Thema)
Vereinfachtes Verfahren bei einem Unterhaltsanspruch aufgrund ausländischen Sachrechts
Normenkette
BGB § 1612a; EGBGB Art. 18; ZPO §§ 642, 645
Verfahrensgang
AG Pforzheim (Beschluss vom 27.07.2005; Aktenzeichen 1 FH 4/05) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Unterhaltsfestsetzungsbeschluss des AG - FamG - Pforzheim vom 27.7.2005 - 1 FH 4/05 - wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten der Beschwerde.
3. Der Beschwerdewert wird auf 3.691,75 EUR festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Der Antragsgegner ist Vater des am 12.2.1999 geborenen minderjährigen Antragstellers (bzw. Antragstellerin). Der Antragsteller ist bei seiner Mutter in der Türkei wohnhaft.
Mit Antrag vom 7.4.2005 hat der Antragsteller, vertreten durch die Mutter, beim AG - FamG - Pforzheim beantragt, im vereinfachten Verfahren den vom Antragsgegner geschuldeten Unterhalt i.H.v. monatlich 147,67 EUR ab 1.4.2004 festzusetzen. Der Antrag ist dem Antragsgegner mit den gesetzlich vorgesehenen Hinweisen am 9.5.2005 zugestellt worden. Mit Unterhaltsfestsetzungsbeschluss vom 27.7.2005 hat die Rechtspflegerin des AG Pforzheim den Unterhalt antragsgemäß festgesetzt. Dieser Beschluss ist dem Antragsgegner am 8.8.2005 zugestellt worden. Mit Schreiben vom 18.8.2005, eingegangen am 19.8.2005, hat der Antragsgegner "Widerspruch" eingelegt mit der Begründung, er sei finanziell nicht in der Lage, die Unterhaltsbelastung zu tragen; Unterlagen zu seiner finanziellen Situation hat er beigefügt. Der Antragsteller ist dem Rechtsmittel entgegengetreten.
Die Rechtspflegerin des AG hat dem Rechtsmittel unter Hinweis auf § 652 ZPO nicht abgeholfen.
II. Das Rechtsmittel ist als sofortige Beschwerde zu werten. Diese ist gem. § 652 Abs. 1 ZPO zulässig, insb. form- und fristgerecht (§ 569 ZPO) eingelegt. Die sofortige Beschwerde ist aber unbegründet.
1. Die prozessualen Voraussetzungen für die Durchführung des vereinfachten Verfahrens und für den Erlass eines Festsetzungsbeschlusses (§§ 652 Abs. 2 Satz 1, 648 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) liegen vor.
Die Zuständigkeit deutscher Gerichte für die Entscheidung über den Unterhaltsanspruch des in der Türkei wohnhaften Antragstellers ist zu bejahen. Im Verhältnis zur Türkei findet weder die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 (EuGVVO) noch das europäische Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) Anwendung. Somit ist von dem Grundsatz auszugehen, dass die internationale Zuständigkeit gegeben ist, wenn nach den Vorschriften der §§ 12 ff. ZPO ein deutsches Gericht örtlich zuständig ist (Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 1 Rz. 8; BGH v. 1.4.1987 - IVb ZR 41/86, MDR 1987, 827 = FamRZ 1987, 682; v. 29.4.1992 - XII ZR 40/91, MDR 1993, 54 = FamRZ 1992, 1060). Damit ist eine Zuständigkeit der Gerichte am Wohnsitz des Beklagten in Deutschland begründet (§§ 642 Abs. 1 Satz 2, 12, 13 ZPO; vgl. auch Art. 7 des Haager Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen, der allerdings keine internationale Zuständigkeit begründet, BGH v. 9.10.1985 - IVb ZR 36/84, NJW 1986, 662; zur internationalen Zuständigkeit der Gerichte in Unterhaltssachen am Wohnsitz des Beklagten vgl. OLG Frankfurt v. 13.12.1989 - 4 UF 236/88, FamRZ 1990, 747).
Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte umfasst auch die Anwendbarkeit des vereinfachten Verfahrens gem. §§ 645 ff. ZPO, da insoweit weder besondere Zuständigkeitsnormen noch Besonderheiten im Hinblick auf den erforderlichen Inlandsbezug (hierzu Zöller/Geimer, IZPR Rz. 36) bestehen.
Da das vereinfachte Verfahren nicht beschränkt ist auf die Festsetzung des Unterhalts als Vomhundertsatz des jeweiligen Regelbetrages gem. § 1612a BGB - und eine solche Festsetzung im vorliegenden Fall auch nicht erfolgt ist -, ist auch nicht zu fordern, dass sich der Unterhalt nach deutschem Sachrecht bestimmt und insb. die Vorschriften der §§ 1612a, 1612b BGB anwendbar sind (hierzu vgl. OLG Hamm IPrax 2002, 529; Bischoff, IPrax 2002, 511). Es ist deshalb unschädlich, dass im vorliegenden Fall türkisches Sachrecht zur Anwendung kommt (Art. 18 Abs. 1 Satz 1, Art. 3 Abs. 1 Satz 2 EGBGB). Das vereinfachte Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger kann, sofern der Unterhalt als statischer Betrag (also ohne Anwendung der §§ 1612a, 1612b BGB) verlangt wird, auch durchgeführt werden, um Unterhalt nach ausländischem Sachrecht festzusetzen (ebenso Coester/Waltjen in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 645 Rz. 5; a.A. Johannsen/Henrich/Voßkuhle, Eherecht, 4. Aufl., § 645 ZPO Rz. 16; Bischoff, IPrax 2002, 511 [514]). Die Bezugnahme auf die Regelbetrag-Verordnung in § 645 Abs. 1 ZPO markiert lediglich eine Höchstgrenze für den im vereinfachten Verfahren durchsetzbaren Unterhaltsbetrag (Bischoff, IPrax 2002, 511 [514]). Ob der geltend gemachte Unterhaltsanspruch materiell berechtigt ist, ist im vereinfachten Verfahren vom Rechtspfleger ohnehin nicht z...