Leitsatz (amtlich)
1. Der elektronische Versand zwischen den Gerichten von beim falschen Gericht durch einen Rechtsanwalt elektronisch eingereichten Schriftsätzen an das zuständige Gericht gehört (noch immer) nicht zum gewöhnlichen, ordentlichen Geschäftsgang.
2. Die lediglich in Papierform erfolgte Weiterleitung des den Wiedereinsetzungsantrag enthaltenen Schriftsatzes an das Beschwerdegericht kann keinen wirksamen Wiedereinsetzungsantrag begründen. Dieser Formmangel ist für das Amtsgericht nicht ohne weiteres erkennbar; der gerichtlichen Fürsorgepflicht sind insoweit im Interesse der Funktionsfähigkeit der Justiz Grenzen gesetzt.
Verfahrensgang
AG Baden-Baden (Aktenzeichen 6 F 57/22) |
Tenor
1. Der Antrag der Antragsgegnerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Beschwerde und der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist werden zurückgewiesen.
2. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Baden-Baden vom 17.01.2024, Aktenzeichen 6 F 57/22, wird als unzulässig verworfen.
3. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
4. Der Verfahrenswert wird auf 52.494,79 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragsgegnerin wendet sich mit ihrer auf die Folgesache Güterrecht begrenzten Beschwerde gegen die Verpflichtung zu einer Zugewinnausgleichszahlung iHv 52.494,79 EUR.
Die beteiligten Ehegatten haben am 10.07.2009 vor dem Standesbeamten des Standesamtes Baden-Baden die Ehe miteinander geschlossen. Der Scheidungsantrag wurde der Antragsgegnerin am 14.04.2022 zugestellt.
Mit Verbundbeschluss vom 17.01.2024 hat das Amtsgericht die Ehe der Beteiligten geschieden, den Versorgungsausgleich durchgeführt und die Antragsgegnerin verpflichtet, an den Antragsteller einen Zugewinnausgleich in Höhe von 52.494,79 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu bezahlen. Im Übrigen hat es den Antrag des Antragstellers auf Zahlung eines weitergehenden Ausgleichsanspruchs abgewiesen. Wegen der Gründe wird auf den vorbezeichneten Beschluss verwiesen.
Der Verbundbeschluss wurde der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin am 29.01.2024 zugestellt. Am 29.02.2024 ging beim Amtsgericht per beA eine Kopie des Verbundbeschlusses vom 17.01.2024, jedoch ohne Beschwerdeschriftsatz und/oder weitere Erklärungen ein.
Mit beim Amtsgericht per beA am 01.03.3024 eingegangenem Schriftsatz vom selben Tag hat die Antragsgegnerin beantragt, ihr wegen Versäumung der Beschwerdefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Zugleich hat sie Beschwerde gegen den amtsgerichtlichen Beschluss eingelegt. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags führt die Antragsgegnerin an, dass die Versäumung der Beschwerdefrist unverschuldet sei. Der Schriftsatz zur Beschwerdeeinlegung sei fristgerecht verfasst und in das elektronische Anwaltspostfach (beA) eingestellt worden. Die Ausfertigung des Schriftsatzes und Einstellung in das Anwaltspostfach habe die erfahrene, gut ausgebildete und im Umgang mit dem elektronischen Rechtsverkehr geschulte Mitarbeiterin Rechtsfachwirtin V. F. übernommen. Die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin selber habe den Postausgang kontrolliert und keine Beanstandung feststellen können; sowohl der Beschwerdeschriftsatz vom 29.02.2024 als auch die Kopie des angefochtenen Verbundbeschlusses sei zum Versand bereitgestellt worden. Danach habe die Verfahrensbevollmächtigte ihren Mitarbeitern die Versendung der beA-Nachrichten mitgeteilt; die Mitarbeiterin V. F. habe sodann die Ausgangskontrolle übernommen. Hierzu öffne sie einzeln die Zustellnachweise in den jeweiligen e-Akten und kontrolliere den Zustellvermerk auf den Erfolg der Übermittlung. Aus dem Zustellnachweis habe sich ergeben, dass die Nachricht erfolgreich übersandt worden sei. Im Text sei "Schriftsatz" in grün vermerkt und der Status der Übermittlung als "erfolgreich" markiert gewesen. Hierbei habe die Mitarbeiterin übersehen, dass der Beschwerdeschriftsatz selbst im Zustellungsvermerk nicht aufgeführt gewesen und damit auch nicht übermittelt worden sei. Alle mit dem Postausgang betraute Mitarbeiterinnen wüssten, dass eine Frist erst nach Kontrolle von Erhalt und Inhalt der automatisierten Eingangsbestätigung nach Abschluss des erfolgreichen Übermittlungsvorgangs zu streichen sei. Zudem wüssten die Mitarbeiterinnen, unter welchen Voraussetzungen von einer erfolgreichen Übermittlung ausgegangen werden dürfe. In Bezug auf den elektronischen Rechtsverkehr bestehe in der Kanzlei der Verfahrensbevollmächtigten ferner ein Sechs-Augen-Prinzip. Hierzu würden die zu übermittelnden Schriftsätze zusätzlich über eine Schnittstelle automatisch ausgedruckt und zu einer parallel geführten Handakte genommen.
Aus der eidesstattlichen Versicherung der Rechtsfachwirtin V. F. ergibt sich, dass diese den Zustellnachweis im hiesigen Verfahren am 29.02.2024 kontrolliert habe. Ausweislich diesem...