Leitsatz (amtlich)
1. Dem Anspruch auf jederzeitige Rückgabe eines gemeinschaftlichen öffentlichen Testaments aus der besonderen amtlichen Verwahrung nach §§ 2272, 2256 Abs. 2 S. 1 BGB steht es nicht entgegen, wenn in derselben öffentlichen Urkunde zugleich ein Ehevertrag errichtet sowie ein Pflichtteilsverzicht vorgenommen wurde.
2. Soweit gemäß § 2300 Abs. 2 BGB für einen Erbvertrag gilt, dass dieser nur aus der amtlichen oder notariellen Verwahrung zurückgenommen und den Vertragsschließenden zurückgegeben werden kann, wenn er ausschließlich Verfügungen von Todes wegen enthält, so ist diese Regelung nicht auf Testamente anzuwenden.
Verfahrensgang
AG Freiburg i. Br. (Aktenzeichen A 900 IV 2765/20) |
Tenor
1. Auf die Beschwerden der Beteiligten Ziffer 1 und 2 vom 30.12.2021 hin wird der Beschluss des Amtsgerichts Freiburg im Breisgau - Nachlassgericht - vom 16.12.2021 (A 900 IV 2765/20) aufgehoben.
2. Das Amtsgericht Freiburg - Nachlassgericht - wird angewiesen, die vor dem Notariat Freiburg, am 21.01.2014 errichtete Urkunde, Notar ... UR 152/2014 (Verwahrbuch-Nummer ...) unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben gemäß §§ 2272, 2256 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 2 BGB aus der besonderen amtlichen Verwahrung des Amtsgerichts an die Beteiligten Ziffer 1 und 2 herauszugeben.
3. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
Gründe
I. Die Beteiligten begehren als Eheleute mit Schweizer Staatsangehörigkeit und Wohnsitz in Deutschland die Rückgabe ihres gemeinschaftlichen öffentlichen Testaments aus der besonderen amtlichen Verwahrung gemäß §§ 2272, 2256 Abs. 2 S. 1 BGB, welches in einer öffentlichen Urkunde zugleich mit einem Ehevertrag am 21.01.2014 vor dem Notariat Freiburg errichtet wurde (s.a. Hinterlegungsscheine vom 25.02.2014, Verwahrbuch-Nummer ...; AS 9 und 11). Dabei haben die Beteiligten das öffentliche Testament ohnehin schon widerrufen, es liegt ihnen aber daran, dass das widerrufene öffentliche Testament im Erbfall nicht eröffnet wird.
Gemäß Niederschrift (AS 21 f.) des wegen der Rücknahme des Testaments aufgrund Verfügung des Nachlassgerichts Freiburg im Breisgau vom 10.03.2021 (AS 13) nach Übersendung der öffentlichen Urkunde vor dem Nachlassgericht Waldshut-Tiengen durchgeführten Termins vom 15.04.2021 wurde beim Öffnen des Umschlags festgestellt, dass es sich entgegen der Meldung auf den Hinterlegungsscheinen um eine öffentliche Urkunde mit einem Ehevertrag und einem gemeinsamen öffentlichen Testament handelt. Da der Ehevertrag nach Ansicht des Nachlassgerichts Waldshut-Tiengen nicht aus der amtlichen Verwahrung genommen werden durfte, erfolgte keine Rückgabe an die testierfähigen Eheleute, sondern eine Rücksendung an das Verwahrgericht Freiburg im Breisgau.
Mit Verfügung des Nachlassgerichts Freiburg im Breisgau vom 29.10.2021 (AS 43) wurden die Beteiligten darauf hingewiesen, dass es sich bei der verwahrten Urkunde um ein untrennbar mit einem Ehevertrag verbundenes gemeinschaftliches Testament handele und der Ehevertrag nicht aus der amtlichen Verwahrung genommen werden könne, weshalb eine Rückgabe der Urkunde an die testierenden Eheleute nicht möglich sei. Da es sich um ein gemeinschaftliches Testament und nicht um einen Erbvertrag handele, sei auch die Herausgabe und Weiterverwahrung durch einen Notar nicht möglich.
Mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 13.12.2021 (AS 46 ff.) teilten die Beteiligten daraufhin u.a. ihre Rechtsansicht mit, dass der Ehevertrag keiner Hinterlegung bedürfe.
Mit Beschluss vom 16.12.2021 (AS 53 ff.) lehnte das Nachlassgericht die Herausgabe der öffentlichen Urkunde vom 21.01.2014, beurkundet durch ..., (Verwahrbuch-Nummer ...) ab.
Zur Begründung wurde vor allem ausgeführt, dass § 34 Abs. 2 und 3 BeurkG nur für einen Erbvertrag Anwendung fänden, nicht aber - wie vorliegend - für ein notarielles Testament. Für dieses verbleibe es bei der Regelung in § 34 Abs. 1 S. 4 BeurkG, welche eine besondere amtliche Verwahrung vorsehe. Zwar könne gemäß § 2256 Abs. 2 BGB ein Erblasser ein notarielles Testament jederzeit zurückverlangen, wodurch dieses als widerrufen gelte. Im vorliegenden Fall bestünde jedoch die Besonderheit, dass in derselben Urkunde auch ein Ehevertrag sowie ein Pflichtteilsverzicht enthalten und alle Bestimmungen untrennbar miteinander verbunden seien. Beim Ehevertrag sowie beim Pflichtteilsverzicht handele es sich um Rechtsgeschäfte unter Lebenden. Daher sei für den Erbvertrag in § 2300 Abs. 2 BGB geregelt, dass Erbverträge nur dann aus der amtlichen oder notariellen Verwahrung zurückgenommen werden dürften, wenn sie nur Verfügungen von Todes wegen enthalten. Sei dagegen eine für Lebzeiten wirksame Bestimmung enthalten, sei die Rückgabe nicht möglich. Hintergrund sei, dass die Rückgabe nicht zur Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts unter Lebenden führe. Die Rückgabe hätte daher zur Folge, dass die Urschrift der Urkunde eines noch wirksamen Rechtsgeschäfts verloren gehen könnte.
Mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 30.12.2021 (AS 6...