Entscheidungsstichwort (Thema)
Beginn der Frist für die Vaterschaftsanfechtung: Begründung des Anfangsverdachts für die Nichtehelichkeit bei Kenntnis vom außerehelichen Geschlechtsverkehr der Ehefrau unter Verwendung von Kondomen
Leitsatz (amtlich)
1. Für den Beginn der Anfechtungsfrist nach § 1600b Abs. 1 Satz 1 BGB genügt es, wenn dem rechtlichen Vater Umstände bekannt sind oder werden, die bei objektiver Betrachtung geeignet sind, Zweifel an seiner Vaterschaft zu wecken. Erforderlich ist ein begründeter Anfangsverdacht, für den in der Regel die Kenntnis von objektiven Umständen erforderlich ist, die in ihrer Gesamtbetrachtung die nicht ganz fernliegende Möglichkeit einer Abstammung des Kindes von einem anderen Mann ergeben. Die Vaterschaft eines Dritten muss aber nicht wahrscheinlicher sein als die des rechtlichen Vaters; dieser muss aufgrund der ihm bekannten Umstände nicht davon überzeugt sein, dass das Kind nicht von ihm abstammt. Die Frist beginnt vielmehr bereits mit Kenntnis eines Sachverhalts, der ernsthafte Zweifel an der Vaterschaft begründet.(Rz. 20)
2. Zu den Umständen, deren Kenntnis die Anfechtungsfrist in Lauf setzt, gehört regelmäßig bereits ein einmaliger außerehelicher Geschlechtsverkehr der Mutter während der gesetzlichen Empfängniszeit, und zwar auch dann, wenn der Ehemann innerhalb dieser Zeit der Mutter ebenfalls beigewohnt hat und es den Umständen nach nicht ausgeschlossen erscheint, dass das Kind aus dieser Beiwohnung stammt. Dabei kommt es darauf an, ob sich aus dem außerehelichen Geschlechtsverkehr die nicht ganz fernliegende Möglichkeit der Abstammung des Kindes von einem Dritten ergibt. Ganz fernliegend kann die Möglichkeit einer solchen Abstammung aber sein, wenn der außereheliche Verkehr nur unter Verwendung von Verhütungsmitteln stattgefunden hat. Ob trotz dieses Umstandes die Möglichkeit der Vaterschaft eines Dritten nicht ausgeschlossen erscheint, ist eine Frage des Einzelfalls, die vom Tatrichter zu entscheiden ist (Anschluss, BGH, 29.3.2006 - XII ZR 207/030, FamRZ 2006, 771).(Rz. 21)
3. Wusste der rechtliche Vater, dass seine damalige Ehefrau trotz zusätzlicher Einnahme oraler Kontrazeptiva schwanger geworden war, also auch dieses gegenüber der Verwendung von Kondomen bekanntermaßen deutlich sicherere Verhütungsmittel versagt hatte, dann durfte er nicht davon ausgehen, allein die zusätzliche Verwendung von Kondomen beim außerehelichen Geschlechtsverkehr biete eine solche Gewähr gegen eine daraus resultierende Empfängnis, dass die Möglichkeit der Vaterschaft eines Dritten ganz fern liegend war. Dies gilt insbesondere dann, wenn er keinesfalls darauf vertrauen konnte, dass sich seine Ehefrau an die behauptete Vereinbarung, ausnahmslos Kondome zu verwenden, hielt.(Rz. 22)
Normenkette
BGB § 1592 Nr. 1, § 1600b
Verfahrensgang
Tenor
1. Der Senat weist darauf hin, dass beabsichtigt ist, gem. § 68 Abs. 3 FamFG ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden.
2. Eine Entscheidung in der Sache ergeht nicht vor dem 15.11.2012.
3. Es wird ferner darauf hingewiesen, dass nach vorläufiger Beurteilung der Sach- und Rechtslage die Beschwerde aufgrund der nachfolgend aufgeführten Gründe keine Aussicht auf Erfolg hat.
4. Der Senat beabsichtigt, die beigezogenen Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Karlsruhe - Zweigstelle P. - (Az.:... Js .../...) zu Beweiszwecken zu verwerten.
Gründe
I. Die Beteiligte Ziff. 4 ist die Mutter der beiden Kinder M. und T. S., die beide am 3.12.2005 geboren wurden. Bei dem Beteiligten Ziff. 3, der bis zur rechtskräftigen Scheidung im Jahr 2009 mit der Mutter der Kinder verheiratet gewesen ist, handelt es sich um den rechtlichen Vater der Kinder.
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beteiligte Ziff. 3 die Vaterschaft rechtzeitig innerhalb der Frist des § 1600b Abs. 1 BGB angefochten hat.
Unstreitig unterhielt die Mutter mit Wissen des Beteiligten Ziff. 3 bis ins Jahr 2005 hinein und auch während der Empfängniszeit, die vom 6.2.2005 bis zum 5.6.2005 dauerte, eine intime Beziehung zu T. K..
Unter dem 12.6.2008 wurde von den Beteiligten Ziff. 3 und 4 ein außergerichtlicher Vaterschaftstest durchgeführt, der zum Ergebnis kam, dass die Vaterschaft des Beteiligte Ziff. 3 praktisch erwiesen ist. Aufgrund eines weiteren außergerichtlichen Gutachtens vom 09./11.1.2012 steht zwischenzeitlich fest, dass dieses erste Gutachten falsch ist und der Beteiligte Ziff. 3 nicht der leibliche Vater der Kinder ist. Der Beteiligte Ziff. 3 legt der Beteiligten Ziff. 4 insoweit zur Last, dass sie den ersten Test manipuliert und dem Gutachter eine falsche Speichelprobe untergeschoben habe.
Der Beteiligte Ziff. 3 hat unter dem 8.3.2011 Vaterschaftsanfechtungsklage erhoben und vorgetragen, dass er erst im Laufe des Jahres 2010 bemerkt habe, dass die Kinder eine frappierende Ähnlichkeit mit einem Arbeitskollegen und auch dieselben Probleme mit den Augen wie dieser hätten...