Leitsatz (amtlich)
1. Auch bei einer treuhänderischen Kommanditbeteiligung richtet sich ein Anspruch aus §§ 171, 172 Abs. 4 HGB (Haftung des Kommanditisten bei Rückzahlung von Einlagen) nur gegen den Kommanditisten, also gegen den Treuhänder, und nicht gegen den Treugeber. Die Gläubiger (bzw. der Insolvenzverwalter gem. § 171 Abs. 2 HGB) können in diesem Fall allerdings dann einen Anspruch gegen den Treugeber geltend machen, wenn der Treuhandkommanditist einen Freistellungsanspruch gegen den Treugeber abtritt.
2. Nimmt der Insolvenzverwalter nach einer Rückzahlung von Einlagen den Treugeber aus einem abgetretenen Freistellungsanspruch des Treuhandkommanditisten in Anspruch, kann der Treugeber mit einem Schadensersatzanspruch gegen den Treuhänder aus culpa in contrahendo (§ 311 Abs. 2 BGB) aufrechnen.
3. Sind bei einem Immobilienfonds Anlaufverluste geplant, die mehr als 40 % des Kommanditkapitals erreichen sollen, muss der Treuhandkommanditist die Anleger (Treugeber) vor der Zeichnung der Einlagen über die Konsequenzen im Hinblick auf § 171 Abs. 4 HGB aufklären. Dazu gehört vor allem der konkrete Hinweis, dass die geplanten Ausschüttungen für einen längeren Zeitraum (bis zum Ausgleich der Anlaufverluste) im Krisenfall zu einer Haftung ggü. den Gläubigern der Gesellschaft führen, bzw. durch den Insolvenzverwalter zurückgefordert werden können.
Verfahrensgang
LG Waldshut-Tiengen (Urteil vom 13.12.2007; Aktenzeichen 1 O 311/06) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des LG Waldshut-Tiengen vom 13.12.2007 - 1 O 311/06 - aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien können eine Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 1.000 EUR, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
5. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der F. 68 KG. Bei der Insolvenzschuldnerin handelt es sich um einen geschlossenen Immobilienfonds. Der Kläger nimmt den Beklagten auf Rückzahlung von Ausschüttungen der Insolvenzschuldnerin in Anspruch.
Die Insolvenzschuldnerin wurde durch Gesellschaftsvertrag vom 20.8.1998 (I, 153) gegründet. Gegenstand der Gesellschaft war die langfristige Vermietung von Büro- und Geschäftshäusern in Datteln und München, eines Einkaufs- und Dienstleistungszentrums in Salzgitter und einer Kureinrichtung in Bad Schönborn. Für diese Objekte wurden drei verschiedene Objektgesellschaften gegründet, an denen sich die Insolvenzschuldnerin jeweils als Kommanditistin beteiligte. Die Objektgesellschaften sind Eigentümer der Immobilien, ihr Gegenstand ist die Vermietung und Verpachtung der Objekte.
Die Insolvenzschuldnerin finanzierte den Erwerb der Immobilien bzw. die Beteiligung als Kommanditistin an den Objektgesellschaften mit den von den Anlegern eingezahlten Geldern sowie mit Kreditmitteln. Insgesamt beteiligten sich 975 Anleger mit einem Beteiligungskapital von 58.750.000 DM bis zum 31.12.2000. Die Beteiligung erfolgte im Regelfall in der Weise, dass die Anleger der P. Verwaltungs- und Treuhandgesellschaft mbH (im Folgenden: Treuhänderin) den Auftrag erteilten, nach Maßgabe der Beitrittserklärung und des Gesellschaftsvertrages der Fondsgesellschaft eine Kommanditbeteiligung an dieser zu erwerben. Die Treuhänderin sollte die Beteiligung im eigenen Namen, jedoch treuhänderisch für Rechnung des jeweiligen Treugebers, übernehmen und halten. Die mit der Beteiligung verbundenen Verwaltungsrechte (Auskunfts- und Kontrollrechte sowie Stimmrechte) sollten sowohl dem Treugeber als auch der Treuhänderin zustehen, mit einem grundsätzlichen Vorrang des Treugebers. Der Treuhandvertrag enthielt u.a. folgende Regelung:
§ 5 Freistellung.
Soweit nach den handelsrechtlichen Vorschriften für den (im Auftrag des Treugebers im Handelsregister eingetragenen) Treuhänder eine persönliche Haftung für die Verbindlichkeiten der Fondsgesellschaft oder eine sonstige Haftung entsteht, hat der Treugeber den Treuhänder von dieser Haftung entsprechend seinem Anteil an der für ihn treuhänderisch gehaltenen Kommanditbeteiligung freizustellen. Der Treugeber haftet nicht für entsprechende Verpflichtungen der anderen Treugeber ggü. dem Treuhänder.
Der Gesellschaftsvertrag der Insolvenzschuldnerin enthielt hinsichtlich der Ausschüttungen für die Anleger u.a. die folgende Regelung, wobei die Anleger (Treugeber) als "Kommanditisten" bezeichnet wurden:
§ 12 Ergebnis- und Vermögensbeteiligung, Ausschüttungen.
...
Die Gesellschaft hat die Ausschüttungen, die die Gesellschaft von den Objektgesellschaften erhält und die nach Abdeckung ihrer Kosten und Aufrechterhaltung einer Liquiditätsreserve in der in der Liquiditätsprognose des Beteiligungsprospektes angegebenen Höhe verbleiben, ab 19...