Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerberaterhaftung: Pflicht des im Rahmen eines Dauermandats beauftragten Steuerberaters zur Überprüfung eines von einem Spezialisten erarbeiteten steuerlichen Konzepts; Hinweispflicht auf mögliche Reduzierung der Einkommensteuer durch vorrangige Veräußerung steuerentstrickter Aktien
Leitsatz (amtlich)
1. Beauftragt der Mandant, der sich laufend von einem Steuerberater beraten lässt, für ein bestimmtes Vorhaben einen Spezialisten mit der Erarbeitung eines steuerlichen Konzepts, ist nicht ohne weiteres davon auszugehen, dass der allgemeine Steuerberater das Konzept des Spezialisten eigenverantwortlich zu überprüfen und den Mandanten über die Vorzüge und Nachteile zu beraten hat.
2. Ein Steuerberater ist nicht verpflichtet, einen Erblasser im Rahmen einer beabsichtigten Nachfolgeregelung gesondert darauf hinzuweisen, dass mit der vorrangigen Veräußerung der zur Verfügung stehenden steuerentstrickten Aktien eine Reduzierung der Einkommensteuer erzielbar war.
Normenkette
BGB § 280 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Mannheim (Entscheidung vom 30.10.2015; Aktenzeichen 9 O 355/11) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 30.10.2015 - 9 O 355/11 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsrechtszugs zu tragen.
3. Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, sofern nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung ihrerseits Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger ist der Testamentsvollstrecker über den Nachlass des am 20. Februar 2015 verstorbenen A. W. H. (fortan: Erblasser). Er nimmt die Beklagte, eine Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, wegen behaupteter Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der steuerlichen Beratung des Erblassers auf Schadensersatz in Anspruch.
Der Erblasser war Aktionär der H. H. AG, die im Jahr 1987 durch Umwandlung einer OHG im Wege der Sacheinlage entstanden ist. Er hielt an der AG 190 000 Stück Stammaktien zum Nennbetrag von 50 DM je Stück (Anteil von 47,50 v.H.). Es handelte sich um einbringungsgeborene Anteile i.S. des § 21 UmwStG, die mit den Aktiennummern 210 001 bis 400 000 bezeichnet waren.
Auf Antrag des Erblassers vom 23. November 1994 (Anlage K 3) wurden 10 000 Stück seiner Inhaberaktien, bezeichnet mit den Aktiennummern 210 001 bis 220 000, nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG mit einem Kurswert von 1.370 DM je Aktie der Einkommensbesteuerung unterworfen (entstrickt).
Gemäß einem Beschluss der Hauptversammlung der AG vom 11. Oktober 1995 wurden die Aktien im Verhältnis 1:10 gesplittet. Dem Erblasser standen daher 1 900 000 Stück Inhaberaktien mit einem Nennbetrag von 5 DM/Aktie zu. Diese wurden auf die Verwahrung in einem Sammeldepot umgestellt. Für die Aktien des Erblassers wurden die Aktiennummern 2 100 001 bis 4 000000 vergeben; die ursprünglichen Aktiennummern wurden insoweit um den Faktor 10 erweitert fortgeführt. Im Jahr 1996 wurden 100 000 Stück dieser Stammaktien ohne eine Nennung von Stücknummern in ein Sonderdepot des Erblassers überführt, das bis zum 31. Dezember 2001 die interne Bezeichnung "Ver.G II/Entstrickte St." und bis zum 31. Dezember 2002 die Bezeichnung "Sperrkonto" trug.
Im Zuge einer Nachfolgeregelung der H.-Familien veräußerte der Erblasser mit Aktienkauf- und Übertragungsvertrag vom 1. August 2002 die in § 1 Abs. 1 des Vertrags unter der Überschrift "Kaufgegenstand/Verkauf" mit den Nummer 3 525 001 bis 4 000 000 bezeichneten 475 000 Stück Stammaktien der AG an drei Mitglieder des Familienstammes nach O. H. zum Preis von 112,48 EUR/Stück (Gesamtkaufpreis nach Abzug eines Ausgleichs 53.404.250 EUR). Der Aktienkauf- und Übertragungsvertrag vom 1. August 2002 und die weiteren Verträge im Zusammenhang mit der Familiennachfolge wurden im Auftrag des O. H. von der Rechtsanwalts- und Steuerberatungsgesellschaft K. B. B. ausgearbeitet.
In der von der Beklagten erstellten Einkommensteuererklärung für 2002 gab der Erblasser einen Veräußerungsgewinn aus Aktienverkauf als privates Veräußerungsgeschäft in Höhe von 45.143.687,60 EUR an. Diesen ermittelte er dadurch, dass er von dem Veräußerungspreis in Höhe von 53.404.250 EUR den Buchwert der Aktien, nämlich 1.214.318,22 EUR für 375 000 Stück zu je 5 DM (2,56 EUR) und 7.004.698,78 EUR für 100 000 Stück zu je 137 DM (70,04 EUR), sowie die Veräußerungskosten in Höhe von 41.545,40 EUR abzog.
Während das Finanzamt diesen Veräußerungsgewinn im Rahmen der Veranlagung des Erblassers zur Einkommensteuer zunächst ansetzte, ging es im Anschluss an eine Außenprüfung im geänderten Einkommensteuerbescheid für 2002 vom 25. November 2008 von einer Erhöhung des Veräußerungsgewinns für die Aktien um 7.741.449 EUR aus. Ein Teilbetrag von 6.749.053 EUR beruhte auf einer Minderung der geltend gemachten A...