Entscheidungsstichwort (Thema)
Zustimmung zur gemeinsamen steuerlichen Veranlagung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Verurteilung auf Zustimmung zur gemeinsamen Veranlagung zur Einkommensteuer hat nicht die Vornahme einer unvertretbaren Handlung zum Gegenstand, sondern die Abgabe einer Willenserklärung.
2. Ist die Zustimmung von einer Gegenleistung abhängig (Freistellung von steuerlichen Nachteilen), tritt die Fiktion der Abgabe dieser Willenserklärung mit der Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Titels ein.
Normenkette
ZPO § 888 Abs. 1, § 894 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Altenkirchen (Beschluss vom 04.02.2004; Aktenzeichen 4 F 172/03) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss des AG - FamG - Altenkirchen vom 4.2.2004 aufgehoben.
Der Antrag des Gläubigers vom 31.10.2003 wird zurückgewiesen.
Der Gläubiger trägt die Kosten des Verfahrens im ersten und zweiten Rechtszug.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 1.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Schuldnerin wurde durch das - rechtskräftige - Urteil des AG vom 8.7.2003 (Bl. 50-53 GA) verurteilt, ihre Zustimmung auf eine gemeinsame steuerliche Veranlagung mit dem Gläubiger für das Jahr 2001 zu erteilen, Zug um Zug gegen Freistellung von steuerlichen Nachteilen einschließlich des Verzichts auf Aufrechnung und Zurückbehaltung. Eine vollstreckbare Ausfertigung wurde dem Gläubiger am 21.10.2003 erteilt (Bl. 50 GA).
Mit Schriftsatz vom 31.10.2003 beantragte der Gläubiger, gegen die Schuldnerin ein Zwangsgeld, ersatzweise Zwangshaft, festzusetzen (Bl. 1/2 Zwangsvollstreckungs-Heft). Mit Beschluss vom 4.2.2003 (Bl. 19/20 Zwangsvollstreckungs-Heft) verhängte das AG gegen die Schuldnerin zur Erzwingung der im Urteil vom 8.7.2003 titulierten Verpflichtung ein Zwangsgeld i.H.v. 1.000 EUR, ersatzweise für je 100 EUR einen Tag Zwangshaft. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Schuldnerin vom 13.2.2004 (Bl. 22/23 Zwangsvollstreckungs-Heft).
II. Die sofortige Beschwerde ist statthaft (§ 793 i.V.m. § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) und auch im Übrigen zulässig; sie hat in der Sache Erfolg.
Die Zwangsvollstreckung aus Ziff. 1 des Tenors des Urteils des AG vom 8.7.2003 erfolgt - was das AG und die Parteien übersehen haben - nicht im Verfahren nach § 888 ZPO (Erzwingung einer nicht vertretbaren Handlung), sondern vielmehr auf dem hier eröffneten - einfacheren - Weg des § 894 ZPO (Fiktion der Abgabe einer Willenserklärung).
Bei der titulierten Verpflichtung der Schuldnerin - Erteilung der Zustimmung zur gemeinsamen steuerlichen Veranlagung der Parteien für das Jahr 2001 - handelt es sich um die Verurteilung zur Abgabe einer Willenserklärung ggü. dem zuständigen Finanzamt (§ 26 Abs. 2 S. 3 EStG; vgl. Pflüger in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommens- und Körperschaftssteuergesetz, 21. Aufl., März 2004, § 26 Rz. 82). § 894 ZPO findet auch insofern Anwendung (OLG Frankfurt v. 24.8.1989 - 3 WF 43/89, FamRZ 1989, 1321 f.; Putzo in Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl. 2003, § 894 Rz. 5; s.a. BGH MDR 1998, 845 [846]; BFH v. 25.10.1988 - IX R 53/84, FR 1989, 111 = FamRZ 1989, 738 zur Zustimmungspflicht des Ehegatten zum begrenzten Realsplitting).
Mit der Rechtskraft des Urteils gilt die geschuldete Willenserklärung als abgegeben (§ 894 Abs. 1 S. 1 ZPO); weiter gehender Vollstreckungsmaßnahmen bedarf es nicht mehr (Stöber/Zöller, ZPO, 23. Aufl. 2002, § 894 Rz. 5).
Es steht auch nicht - worauf die Schuldnerin im Ergebnis abhebt - entgegen, dass die Zustimmungserklärung nach dem Vollstreckungstitel nur "Zug um Zug gegen Freistellung von steuerlichen Nachteilen einschließlich des Verzichts auf Aufrechnung und Zurückbehaltung" abzugeben ist. War die geschuldete Willenserklärung von einer Gegenleistung des Gläubigers abhängig gemacht, konnte die Fiktion allerdings erst mit der Erteilung der Vollstreckungsklausel eintreten (§ 894 Abs. 1 S. 2 i.V.m. §§ 726, 730 ZPO; vgl. BFH v. 25.10.1988 - IX R 53/84, FR 1989, 111 = FamRZ 1989, 738; zur Zustellung s. § 750 Abs. 2 ZPO). Diese wurde indessen am 21.10.2003 erteilt (Bl. 50 GA). Hiergegen gerichtete Rechtsbehelfe (vgl. §§ 732, 768 ZPO), mit denen sie Einwendungen gegen die Bestimmtheit der Gegenleistung bzw. die Führung des in § 726 Abs. 2 ZPO geforderten Nachweises hätte geltend machen können, hat die Schuldnerin im Klauselerteilungsverfahren nicht erhoben. Im Vollstreckungsverfahren können die betreffenden Einwendungen nicht mehr vorgebracht werden (OLG Hamm v. 8.8.1980 - 14 W 78/80, FamRZ 1981, 199 f.; Stöber/Zöller, ZPO, 23. Aufl. 2002, § 732 Rz. 3).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 891 S. 3 ZPO; die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 3 ZPO i.V.m. § 12 Abs. 1 S. 1 GKG.
Fundstellen
Haufe-Index 1410294 |
FamRZ 2005, 224 |
OLGR-West 2005, 763 |