Entscheidungsstichwort (Thema)
Urkundenfälschung. Kennzeichenmissbrauch. Versicherungskennzeichen. KFZ-Kennzeichen. fahrlässige Körperverletzung. Fahrlässigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Bei Verwendung von ungestempelten oder entstempelten Kennzeichenschildern lässt die mit der Anbringung des Kennzeichens am Fahrzeug verbundene Erklärung den Aussteller nicht (mehr) erkennen, so dass es an der Urkundenqualität fehlt und eine Strafbarkeit wegen Urkundenfälschung ausscheidet. In diesen Fällen kommt lediglich eine Strafbarkeit wegen Kennzeichenmissbrauchs in Betracht.
2. Kennzeichenmissbrauch umfasst auch die Fälle, in denen ein Fahrzeug abgemeldet und das dafür ausgegebene Kennzeichen von der Zulassungsbehörde entstempelt worden ist, jedoch vom Fahrzeughalter weiter verwendet wird, um im Straßenverkehr den Anschein zu erwecken, das betreffende Fahrzeug sei für den im Fahrzeugregister eingetragenen Halter (noch immer) zum öffentlichen Verkehr zugelassen.
3. Der Tatbestand der Urkundenfälschung wird verwirklicht, wenn ein Versicherungsnehmer (oder ein Dritter) ohne Ermächtigung des Versicherers ein Versicherungskennzeichen an einem anderen Fahrzeug als demjenigen anbringt, für das es ausgegeben wurde. Urkundenfälschung ist auch dann gegeben, wenn zur Täuschung darüber, dass ein gültiges Versicherungsverhältnis besteht, Manipulationen am Versicherungskennzeichen vorgenommen werden, etwa durch Veränderung der Farbe eines durch Zeitablauf ungültig gewordenen Kennzeichens.
4. Die Begründung einer fahrlässigen Körperverletzung im Straßenverkehr erfordert über die Darstellung der aus konkreten Sondernormen abzuleitenden Sorgfaltspflichtverletzung des Täters hinaus die Feststellung, wie er sich hätte verkehrsgerecht verhalten können und müssen und dass es bei verkehrsgerechtem Verhalten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zu dem Schadensereignis gekommen wäre. Wird der ursächliche Zusammenhang bejaht, kommt es schließlich für die Schuld des Angeklagten noch auf die Voraussehbarkeit des eingetretenen Erfolges an.
Normenkette
StVG § 22 Abs. 1 Nr. 1; StGB §§ 229, 267 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Mainz (Entscheidung vom 24.07.2015; Aktenzeichen 3228 Js 17810/14) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 2. kleinen Strafkammer des Landgerichts Mainz vom 24. Juli 2015 im Schuldspruch zu Fall 1 dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit Gebrauch eines Fahrzeugs auf öffentlichen Wegen ohne den für das Fahrzeug erforderlichen Haftpflichtversicherungsvertrag und mit Kennzeichenmissbrauch schuldig ist.
Im Übrigen wird das vorgenannte Urteil im Schuldspruch zu Fall 2 sowie im Rechtsfolgenausspruch, jeweils mit den zugehörigen Feststellungen, aufgehoben.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere als Berufungsgericht zuständige kleine Strafkammer des Landgerichts Mainz zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Worms verurteilte den Angeklagten am 3. Dezember 2014 wegen Diebstahls (im besonders schweren Fall), wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit Urkundenfälschung und mit Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz sowie wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit Urkundenfälschung, Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz und fahrlässiger Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr. Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte unbeschränkt Berufung ein.
In der Berufungshauptverhandlung hat die Strafkammer das Verfahren wegen Diebstahls auf Antrag der Staatsanwaltschaft gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt. Unter Verwerfung der Berufung im Übrigen hat die Kammer den Angeklagten mit dem im Tenor genannten Urteil wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit Urkundenfälschung und Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz in zwei Fällen, davon in einem Fall in weiterer Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt.
Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte an seinem außer Betrieb gesetzten und nicht mehr für den Straßenverkehr zugelassenen Wohnmobil die entstempelten Kfz-Kennzeichen ... angebracht, bevor er mit diesem Fahrzeug am 29. April 2014 gegen 02.00 Uhr nachts öffentliche Straßen in W. befuhr, ohne im Besitz der hierfür erforderlichen Fahrerlaubnis zu sein. Auch bestand für dieses Fahrzeug kein Haftpflichtversicherungsvertrag (Fall 1).
Am 28. Juli 2014 befuhr der Angeklagte mit einem nicht angemeldeten Motorroller öffentliche Straßen in W., nachdem er an dem Fahrzeug das für das Jahr 2009 gültige Versicherungskennzeichen "..." angebracht hatte. Ihm war bekannt, dass das Fahrzeug in der Lage war, Höchstgeschwindigkeiten über 25 km/h zu erreichen; gleichwohl verfügte er nicht über die für ein solches Fahrzeug erforderliche Fahrerlaubnis. Hinsichtlich der tateinheitlich begangenen fahrlässigen Körperverletzung h...