Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufklärungspflicht des Zahnarztes über die Gefahr einer dauerhaft verbleibenden Nervschädigung
Leitsatz (amtlich)
1. Birgt ein zahnärztlicher Eingriff (hier: Versorgung mit Implantaten) das seltene, den Patienten aber erheblich beeinträchtigende Risiko einer dauerhaft verbleibendenden Nervschädigung, muss auch darüber aufgeklärt werden. Beweispflichtig für die umfassende und sachgemäße Aufklärung ist der Zahnarzt. Der Hinweis "Nervschädigung" in einem schriftlichen Aufklärungsformular ist unzureichend, weil er nicht verdeutlicht, dass ein nicht mehr zu behebender Dauerschaden eintreten kann.
2. Liegt aufgrund einer derartigen Beeinträchtigung die Gefahr von Folgeschäden offen zutage, bedarf die Feststellung der Ersatzpflicht für künftige weitere Schäden keiner besonderen Begründung.
Normenkette
BGB §§ 276, 278, 280, 611, 823; ZPO §§ 256, 286, 313
Verfahrensgang
LG Trier (Urteil vom 28.03.2012; Aktenzeichen 4 O 242/10) |
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Trier vom 28.3.2012 wird zurückgewiesen.
Damit verliert die Anschlussberufung der Klägerin ihre Wirkung.
2. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben zu tragen:
Die Klägerin 48,59 %,
der Beklagte 51,41 %
3. Das angefochtene Urteil und der Senatsbeschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 17.720 EUR.
Gründe
Die Berufung ist aus den im Senatsbeschluss vom 6.7.2012 mitgeteilten Erwägungen ohne Aussicht auf Erfolg. Was der beklagte Zahnarzt dagegen mit Schriftsatz vom 9.8.2012 vorbringt, ist nicht stichhaltig:
1. Bei der Klägerin ist durch die Implantatversorgung eine dauerhafte Nervschädigung eingetreten (Gutachten Dr. M. Seite 9). Über die Gefahr einer derartigen Schädigung ist die Anspruchstellerin nicht aufgeklärt worden. Wegen dieses Aufklärungsdefizits war die Versorgung mit Implantaten nicht von einer wirksamen Einwilligung der Patientin gedeckt und damit rechtswidrig. Das führt zur Haftung des Beklagten für die schädlichen Folgen des Eingriffs.
Die Berufung verweist demgegenüber im Schriftsatz vom 9.8.2012 erneut auf den schriftlichen Aufklärungsbogen und die Zeugenaussage der aufklärenden Ärztin Dr. J.. Dadurch ist der dem Beklagten obliegende Beweis einer alle Risiken sachgemäß umfassenden Aufklärung indes nicht geführt.
Richtig ist allerdings, dass im schriftlichen Aufklärungsbogen vom 13.6.2008 davon die Rede ist, die Behandlung/Operation berge das Risiko der "Nervschädigung". Daraus erschließt sich dem Patient aber nicht, dass die Nervschädigung zu dauerhaften Ausfällen und Beschwerden führen kann. Mag der im Fall der Klägerin eingetretene Dauerschaden auch ein seltenes Risiko sein, ist der Arzt gleichwohl auch insoweit aufklärungspflichtig, weil die Komplikation die weitere Lebensführung des Patienten besonders nachhaltig und tiefgreifend beeinträchtigen kann (vgl. OLG Koblenz vom 13.5.2004 - 5 U 41/03 - in ZMGR 2004, 127-129 = NJW-RR 2004, 1026-1027 und MedR 2004, 502-504). So liegt es hier. Das ohne jede ergänzende Erläuterung gebrauchte Schlagwort "Nervschädigung" im schriftlichen Aufklärungsbogen verdeutlicht nicht, dass insoweit auch ein dauerhaft verbleibender Schaden mit nicht mehr zu beseitigenden Sensibilitätsstörungen und sonstigen Beeinträchtigungen der im Kiefer verlaufenden Nerven eintreten kann.
Diese Lücke im schriftlichen Aufklärungsbogen ist auch durch die Zeugenaussage der Ärztin nicht geschlossen, die seinerzeit das Aufklärungsgespräch mit der Klägerin führte. Der entscheidende Kern der Zeugenaussage ist auf Seite 3 der Sitzungsniederschrift vom 15.2.2012 wie folgt protokolliert:
"An Inhalte des Aufklärungsgesprächs, die über den unterschriebenen Aufklärungsbogen hinausgehen, kann ich mich jetzt nach 5 Jahren nicht mehr erinnern".
Die Aussage der Zeugin ist daher nicht geeignet, eine Aufklärung über das Risiko einer dauerhaft verbleibenden Nervschädigung zu beweisen.
2. Der Senat hat bei seinem Beschluss vom 6.7.2012 keineswegs übersehen, dass der Beklagte jedweden Schaden bestritten hat und weiterhin bestreitet.
Indes hat der gerichtliche Sachverständige sich zu dieser Frage in seinem Gutachten vom 26.7.2011 eindeutig in einer den Klagevortrag weithin bestätigenden Weise geäußert.
Fortbestehende Zweifel des Beklagten musste das LG, das die Klägerin persönlich angehört hat, nicht überwinden (§ 286 ZPO). Der Beklagte verkennt, dass richterliche Überzeugung keine mathematische Gewissheit erfordert. Es genügt ein Verhandlungs- und Beweisergebnis, das vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietet. So liegt es hier. Dafür, dass die Klägerin aggraviert, besteht keinerlei Anhalt.
3. Auch die wiederholten Rügen zum vermeintlich rechtsfehlerhaft beschiedenen Feststellungsantrag dringen nicht durch. Soweit die Berufung insoweit § 547 Ziff. 6 ZPO in den Blick rückt und meint, das Urteil des LG enthalte keinerlei Begründung zum Feststellungsausspruch, verkennt der Rechtsmittelführer, dass offen zutage liegende Selbstverst...