Leitsatz (amtlich)
Der Anspruch gegen den anderen Ehegatten auf Zustimmung zur gemeinsamen steuerlichen Veranlagung erlischt nicht mit der Bestandskraft des für diesen Ehegatten im Wege der Einzelveranlagung ergangenen Steuerbescheids.
Normenkette
BGB § 1353; EStG § 26
Verfahrensgang
AG Linz (Beschluss vom 21.04.2016; Aktenzeichen 8 F 169/15.VKG AG) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin vom 10.05.2016 gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Linz vom 21.04.2016, 8 F 169/15.VKH AG, wird zurückgewiesen.
Gründe
Der Antragsteller begehrt nach § 1353 Abs. 1 BGB die Zustimmung seiner getrenntlebenden Ehefrau - der Antragsgegnerin - zur gemeinsamen steuerlichen Veranlagung zur Einkommenssteuer 2014. Die Antragsgegnerin verweigert diese mit der Begründung, der gegen sie am 04.09.2015 erlassene Einzelveranlagungsbescheid sei mittlerweile bestandskräftig, die Durchführung der gemeinsamen steuerlichen Veranlagung mithin nicht mehr möglich.
Das AG hat der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 21.04.2016 unter Hinweis auf die Entscheidung des BGH vom 12.06.2002, XII ZR 288/00 (FamRZ 2002, 1024-1027), die nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe verweigert und eine Verpflichtung zur Zustimmung zur gemeinsamen Veranlagung angenommen.
Der Beschluss wurde der Antragsgegnerin am 26.04.2016 zugestellt. Mit ihrer am 10.05.2016 eingelegten und begründeten sofortigen Beschwerde macht sie geltend, dass die Rechtsprechung des BGH sich nicht auf den Fall beziehe, dass gegen einen Ehegatten bereits bestandskräftige Steuerbescheide ergangen seien.
Die nach § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 127 Abs. 2 ZPO statthafte und zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin hindert die Bestandskraft des gegen sie ergangenen Einkommenssteuerbescheides nach § 26 EStG die gemeinsame Veranlagung der Ehegatten nicht.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs [BFH] können die Eheleute das Veranlagungswahlrecht bis zur Unanfechtbarkeit eines Berichtigungs- oder Änderungsbescheids ausüben und die einmal getroffene Wahl innerhalb dieser Frist frei widerrufen. Selbst wenn der Steuerbescheid eines Ehegatten bereits bestandskräftig ist, steht dem anderen Ehegatten, dessen Steuerbescheid noch nicht unanfechtbar ist, das Wahlrecht zu; der Antrag auf getrennte Veranlagung stellt hinsichtlich des Zusammenveranlagungsbescheids, der gegenüber dem anderen Ehegatten ergangen ist, ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO dar (vgl. Tiedtke/Szczesny, FamRZ 2011, 425, 426 m. w. Nachw.).
Ebenso urteilt das saarländische Finanzgericht (Urteil vom 14.7.2004, 1 K 20/03, Rn. 34 und 41 - juris):
"Der Ausübung des Wahlrechts im Sinne einer getrennten Veranlagung steht auch nicht die Bestandskraft der Festsetzungen gegenüber dem Kläger entgegen. Insoweit verweist der Senat auf den Beschluss des BFH vom 20.5.1992 III B 110/91, BStBl. II 1992, 916. Dort ist ausgeführt, dass § 26 Abs. 1 EStG bei der Besteuerung beider Ehegatten nur einheitlich angewandt werden kann, so dass die Änderung der Veranlagungsart bei einem Ehegatten - ähnlich wie bei Änderung eines Grundlagenbescheides (§ 171 Abs. 10 AO) - zwangsläufig eine Korrektur der Steuerfestsetzung beim anderen Ehegatten zur Folge hat. Dies gilt ungeachtet der bereits eingetretenen Bestandskraft beim anderen Ehegatten ... Nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO ist ein Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat. Ein solches "rückwirkendes Ereignis" liegt nach der Rechtsprechung des BFH z.B. dann vor, wenn ein geschiedener Ehegatte nach Bestandskraft seiner Veranlagung den Abzug von Unterhaltsleistungen an seinen geschiedenen Ehegatten beantragt, weil die erforderliche Zustimmung des Leistungsempfängers erst nach diesem Zeitpunkt erteilt wurde (BFH-Urteil vom 12.7.1989 X R 8/84, BStBl. II 1989, 957). In gleicher Weise ist die Erklärung der Ehefrau, mit der sie die getrennte Veranlagung gewählt hat, ein Ereignis - und zwar das maßgebende Ereignis -, das Rückwirkung auf den Besteuerungstatbestand (§ 26 Abs. 2 EStG) hat."
Diese gefestigte Rechtsprechung ist auch mit der Neufassung des § 26 EStG ab dem Veranlagungszeitraum 2013 nicht überholt (Seiler in: Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 15. Aufl. 2016, § 26 EStG, Rn. 27-29).
§ 26 Abs. 2 EStG in der aktuell gültigen Fassung bestimmt:
"(2) Ehegatten werden einzeln veranlagt, wenn einer der Ehegatten die Einzelveranlagung wählt. Ehegatten werden zusammen veranlagt, wenn beide Ehegatten die Zusammenveranlagung wählen. Die Wahl wird für den betreffenden Veranlagungszeitraum durch Angabe in der Steuererklärung getroffen.
Die Wahl der Veranlagungsart innerhalb eines Veranlagungszeitraums kann nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des Steuerbescheids nur noch geändert werden, wenn
1. ein Steuerbescheid, der die Ehegatten betrifft, aufgehoben, geändert oder berichtigt wird und
2. die Änderung der Wahl der Veranlagungsart der zust...