Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Anwaltshaftung für Vergleich im Kündigungsschutzprozess, wenn finanziell günstigere Folgen eines Urteils nicht nachgewiesen
Leitsatz (amtlich)
1. Die Behauptung des Arbeitnehmers, der Kündigungsschutzprozess wäre zu seinen Gunsten entschieden worden, wenn der Prozessbevollmächtigte nicht zu dem tatsächlich abgeschlossenen Minimalvergleich geraten hätte, ist im Regressprozess gegen den Anwalt unerheblich, wenn sich Inhalt und finanzielle Folgen eines Urteils über die Kündigungsschutzklage nicht feststellen lassen. Beweisbelastet ist der Arbeitnehmer.
2. Auch die Behauptung, bei frühzeitiger Aufnahme des insolvenzbedingt unterbrochenen Kündigungsschutzprozesses wäre ein höherer Vergleichsbetrag erzielbar gewesen, muss im Regressprozess gegen den Anwalt der Arbeitnehmer beweisen.
3. Bei der Berechnung der Sechsmonatsfrist des § 54 Abs. 5 Satz 3 ArbGG bleibt die Zeitspanne unberücksichtigt, in der der Kündigungsschutzprozess bereits vor der Güteverhandlung insolvenzbedingt gem. § 240 ZPO unterbrochen war.
Normenkette
BGB §§ 249, 276, 280, 611, 675; ArbGG § 54 Abs. 5; KSchG § 1 Abs. 3, § 7; ZPO §§ 240, 249-250, 269, 286-287
Verfahrensgang
LG Mainz (Urteil vom 11.02.2014; Aktenzeichen 1 O 99/13) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des LG Mainz vom 11.2.2014 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Dieses Urteil und der hiesige Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die gegen sie gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht von der Gegenseite Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages gestellt wird.
Gründe
Die Entscheidung ergeht gem. §§ 522 Abs. 2, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Ihre sachlichen Grundlagen ergeben sich aus dem Tatbestand des angefochtenen Urteils, dem Senatsbeschluss vom 31.3.2014 und ergänzend aus dem Inhalt der Gerichtsakten (einschließlich der Akten des streitigen arbeitsgerichtlichen Verfahrens, die das LG zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht hat) im Übrigen. In dem Beschluss vom 31.3.2014 hat der Senat mitgeteilt:
I. "1. Die Klägerin war langjährig bei einer GmbH beschäftigt, die kunststoffverarbeitend tätig war und dabei namentlich die Automobilindustrie belieferte. Nach Verlusten und Umsatzrückgängen nahm die GmbH zu Beginn des Jahres 2009 einen Personalabbau vor. Dabei kündigte sie auch das mit der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis. Das Kündigungsschreiben wurde am 26.3.2009 übergeben und sah als Vertragsende den 30.9.2009 vor.
Daraufhin beauftragte die Klägerin die Beklagte mit der Erhebung einer Kündigungsschutzklage. Nach deren Einreichung beraumte das ArbG einen Gütetermin auf den 9.6.2009 an, hob diesen dann jedoch kurzfristig auf, weil das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet und der Prozess damit unterbrochen worden war. Die Beklagte nahm das Verfahren schließlich mit Schriftsatz vom 15.6.2011 gegenüber dem Insolvenzverwalter auf. Der Rechtsstreit endete mit einem am 18.1.2013 festgestellten Vergleich, demzufolge der Insolvenzverwalter der Klägerin "für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung von 4.000 EUR" zahlte.
Vor diesem Hintergrund nimmt die Klägerin nunmehr die Beklagte auf Schadensersatz in Anspruch. Sie hat vorgetragen, die ihr gegenüber ausgesprochene Kündigung sei unwirksam gewesen, dann aber rechtsverbindlich geworden, weil die Beklagte den unterbrochenen Kündigungsschutzprozess nicht alsbald wieder aufgerufen habe. Wäre dies geschehen, hätte sie im Vergleichsweg eine Abfindung von 25.000 EUR statt von nur 4.000 EUR erhalten. Im Hinblick darauf hat sie eine Forderung von 21.000 EUR geltend gemacht und begleitend dazu den Ausgleich vorgerichtlicher Anwaltskosten von 523,48 EUR verlangt.
Hilfsweise hat sie beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 39.798,70 EUR zu verurteilen und deren weiter gehende allmonatliche Haftung i.H.v. 1.800 EUR für die Zeit ab dem 1.9.2013 festzustellen. Das hat sie darauf gestützt, dass sie im Falle der frühzeitigen Aufnahme des Kündigungsschutzprozesses durch die Beklagte vor dem ArbG obsiegt hätte. Dann hätte sie ihre angestammte Tätigkeit dauerhaft zu den alten Bedingungen ausüben können, da der Betrieb - mittlerweile unter geänderte Inhaberschaft - fortgeführt worden sei, und hätte entsprechende Mehreinnahmen gehabt.
Die Rechtsungültigkeit ihrer Kündigung ergebe sich schon aus formalen Erwägungen, weil die Kündigungsfrist im Hinblick auf die Dauer der Arbeitsverhältnisses zu kurz bemessen worden sei, die GmbH die Agentur für Arbeit, die wegen des Ausmaßes der damaligen Entlassungen hätte benachrichtigt werden müssen, nicht informiert habe und die Zustimmung des - ohnehin unzulänglich unterrichteten - Betriebsrats nicht vorgelegen habe. Außerdem habe es an der von der GmbH reklamierten sozialen Rechtfertigung der Kündigung durch betriebliche Erfordernisse gefehlt. Die Auswahl, die ihr zugrunde gelegen habe, sei aus eine...