Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung eines Gesellschafters bei einer zweigliedrigen Gesellschaft
Leitsatz (amtlich)
1. Bei einer zweigliedrigen Gesellschaft ist eine Ausschließung eines Gesellschafters unter Fortbestand der Gesellschaft grundsätzlich nicht möglich, da § 737 BGB, der den Ausschluss eines Gesellschafters behandelt, nicht unmittelbar anwendbar ist Bei einer zweigliedrigen Gesellschaft bürgerlichen Rechts steht den Mitgesellschaftern jedoch analog § 737 S. 1 BGB, § 140 Abs. 1 S. 2 HGB ein durch einseitige Erklärung auszuübendes Übernahmerecht zu, wenn der Gesellschaftsvertrag für den Fall der Kündigung eine Übernahme- oder Fortsetzungsklausel enthält (in Anknüpfung an OLG München, Urt. v. 24.6.1998 - 15 U1625/98 - NZG 1998, 937 f.; OLG Frankfurt, Urt. v. 20.10.2005 - 16 U 3/05, NJW-RR 2006, 405 ff.,).
2. Die Ausschließung eines Gesellschafters muss unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls das äußerste Mittel darstellen, um Schaden von der Gesellschaft abzuwenden und von dem ausscheidenden Gesellschafter drohende Gefahren zu begegnen (in Anknüpfung an BGH, Urt. v. 17.2.1955 - II ZR 316/53, BGHZ 16, 317 ff. = WM 1955, 437 ff.).
3. Der wichtige Grund muss auf solchen Umständen in der Person des Gesellschafters gründen, die die Fortsetzung der Gesellschaft mit ihm für den Mitgesellschafter unzumutbar machen. Maßgebend ist namentlich im Fall der Zerstörung des Vertrauensverhältnisses unter den Gesellschaftern eine Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls, bei der auch das Verhalten der Mitgesellschafter zu berücksichtigen ist). Kommen auch Pflichtwidrigkeiten der den Ausschluss erklärenden Mitgesellschafter in Betracht, setzt der Ausschluss eine "überwiegende Verursachung des Zerwürfnisses" durch den auszuschließenden Gesellschafter voraus (in Anknüpfung an BGH NZG 2003, 625).
4. Der Streitwert einer Feststellungsklage, die die Wirksamkeit des Ausschlusses eines Gesellschafters aus einer GbR zum Gegenstand hat, bemisst sich nach dem Wert von dessen Gesellschaftsanteil (in Anknüpfung an KG, Beschl. v. 18.2.2008 - 2 W 1203/07 - zitiert nach juris).
Normenkette
BGB § 737 S. 1; HGB § 140 Abs. 1 S. 2; ZPO § 256 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Koblenz (Urteil vom 12.11.2012; Aktenzeichen 4 O 306/11) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Zwischenurteil der 4. Zivilkammer des LG Koblenz vom 12.11.2012 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Dieses Urteil und das vorbezeichnete Urteil des LG Koblenz sind vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der aufgrund der Urteile vollstreckbaren Beträge abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Der Kläger und Hans-Jürgen W. (im Folgenden Schuldner) gründeten mit Gesellschaftsvertrag vom 12.5.1993 die Schiffsgemeinschaft "MS Gabriele W. Gesellschaft bürgerlichen Rechts" (im Folgenden GbR).
Der Kläger hat den Schuldner erstinstanzlich u.a. auf Feststellung verklagt, dass die Schiffsgemeinschaft zum 23.8.2011 vollbeendet worden sei. Das LG hat den Schuldner mit Zwischenurteil vom 12.11.2012 antragsgemäß verurteilt. Gegen das Urteil hat der Schuldner Berufung eingelegt. Am 5.2.2013 ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt worden. Der Beklagte hat das zwischenzeitlich gem. § 240 ZPO unterbrochen gewesene Berufungsverfahren mit Schriftsatz vom 10.3.2014 aufgenommen und verfolgt die Berufung weiter.
Zweck der GbR war der Betrieb des Binnenschiffes MS Gabriele W. Der Schuldner sollte als Geschäftsführer und Schiffsführer tätig sein, während dem Kläger die Befrachtung oblag. Die Gesellschafter bestimmten in § 17 des Gesellschaftsvertrages, dass die Ausschließung eines Gesellschafters aus wichtigem Grund möglich ist und die Gesellschaft unter den verbleibenden Gesellschaftern fortgeführt wird.
Nachdem die Zusammenarbeit zunächst positiv verlaufen war, kam es später zum Streit der Gesellschafter. Der Kläger warf dem Schuldner vor, Gesellschaftsvermögen unterschlagen und seine Pflichten als Geschäftsführer verletzt zu haben. Der Schuldner seinerseits erhob den Vorwurf, der Kläger habe nicht für eine ausreichende Befrachtung gesorgt. Ab Frühjahr 2011 führte der Schuldner die Geschäfte zunehmend in eigener Regie und organisierte ab Juli 2011 eine Befrachtung des Schiffes über ein Konkurrenzunternehmen der vom Kläger geführten Fa. Volker W. Transport & Logistik. Mit Schreiben vom 22.8.2011 (Anlage K 6) und mit anwaltlichen Schreiben vom 24.8.2011 (Anlage K 7) erklärte der Kläger gegenüber dem Schuldner den Gesellschafterausschluss aus der GbR mit sofortiger Wirkung. Dem widersprach der Schuldner mit anwaltlichen Schreiben vom 26.8.2011 (Anlage K 8).
Die Gesellschafter haben in erster Instanz auch über die Herausgabe des Schiffes an den Kläger und Zustimmung zur Berichtigung des Schiffsregisters gestritten. Nachdem der...