Leitsatz (amtlich)
1. Schließt ein zum "schwachen" vorläufigen Insolvenzverwalter bestellter Rechtsanwalt mit einem seiner Sozietät angehörenden anderen Berufsträger einen Vertrag, wonach dieser zum Zwecke der Geschäftsfortführung während der vorläufigen Insolvenzverwaltung ein Treuhandkonto eröffnet (sog. Dritt-Treuhänder-Modell), ist dieser Vertrag jedenfalls dann nicht wegen Insolvenzzweckwidrigkeit gemäß § 138 BGB nichtig, wenn der Vertrag zeitlich vor dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 7. Februar 2019 - IX ZR 47/18 - geschlossen wurde.
2. Zahlt ein (vorläufiger) Insolvenzverwalter Gelder, die zur Insolvenzmasse gehören, auf ein solches Treuhandkonto ein, liegt regelmäßig ein Verstoß gegen dessen Pflichten vor (BGH, Urteil vom 7. Februar 2019 - IX ZR 47/18 Rn. 31). Die Folgen dieser Pflichtverletzungen sowie der Schutz der Gläubiger vor Benachteiligung sind in der Insolvenzordnung selbst ausreichend geregelt (§§ 60, 92 InsO bzw. §§ 129 ff. InsO), so dass es einer Nichtigkeit auch nicht aus Gründen des Gläubigerschutzes bedarf.
3. Bei den Regelungen in §§ 149, 80 Abs. 1 InsO handelt es sich auch nicht um Verbotsgesetze im Sinne des § 134 BGB. Denn durch sie wird nicht die grundsätzlich bestehende Zuständigkeit des Insolvenzverwalters suspendiert, selbständig im pflichtgemäßen Ermessen über die Hinterlegung und Anlage von Geld und Wertsachen zu entscheiden. Vielmehr werden dessen Befugnisse erst dann beschränkt, wenn eine der in § 149 InsO genannten Stellen tatsächlich von ihrer Befugnis Gebrauch macht und eine entsprechende Anordnung trifft.
4. Die Beweiskraft des Tatbestandes eines Urteils gemäß § 314 ZPO bezieht sich bei einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO nur auf Parteivorbringen, das Gegenstand einer früheren mündlichen Verhandlung gewesen ist (im Anschluss an BGH, Urteil vom 8. November 2007 - I ZR 99/05, NJW-RR 2008, 1566 Rn. 16).
Normenkette
BGB §§ 134, 138; InsO §§ 22, 60, 80 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Koblenz (Urteil vom 28.02.2020; Aktenzeichen 4 O 309/17) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 4. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Koblenz vom 28.02.2020, Az.: 4 O 309/17, im Tenor Ziffer 2 dahingehend geändert, dass die Klage im Antrag Ziffer 3 (Verzinsung des Gerichtskostenvorschusses) abgewiesen wird. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 66.227,30 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der A GmbH in B (nachfolgend: Insolvenzschuldnerin). Der Beklagte ist Insolvenzverwalter über das Vermögen von Herrn Rechtsanwalt Y (nachfolgend: Zeuge Y).
Am 08.06.2004 wurde der Kläger durch das Amtsgericht Offenbach am Main (Az. 8 IN 894/03) zum vorläufigen Insolvenzverwalter über das Vermögen der A GmbH bestellt, ohne dass der Insolvenzschuldnerin ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt wurde (sog. schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter). Zu diesem Zeitpunkt waren der Kläger und der Zeuge Y gemeinsam in einer Insolvenzverwaltersozietät tätig.
Am 13.08.2004 und 30.08.2004 eröffnete der Zeuge Y bei der C Bank jeweils ein Treuhandkonto mit der Kontobezeichnung "Treuhandkonto: A GmbH, B". Hinsichtlich der näheren Einzelheiten wird auf die Anlagen K 2 (13.08.2004, Nr. ... 03, Bl. 11 Papierakte LG) und K 3 (30.08.2004, Nr. ... 04, Bl. 12 Papierakte LG) verwiesen.
Im Zeitraum zwischen dem 30.08.2004 und dem 01.10.2004 überwies der Kläger insgesamt 181.000,00 EUR von seinem Insolvenzverwaltersonderkonto auf diese beiden Treuhandkonten (vgl. Anlage K 13 bis Anlage K 20, Bl. 67-69 sowie Bl. 144 ff. Papierakte LG). Durch Beschluss des Amtsgerichts Offenbach vom 08.10.2004 wurde sodann das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin eröffnet.
Im Jahr 2016 wurde auch über das Vermögen des Zeugen Y das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Zu diesem Zeitpunkt wiesen die beiden Konten Guthaben von 50.224,37 EUR (Konto 03) bzw. 16.002,93 EUR (Konto 04) auf. Im Oktober 2016 gab es einen Schriftwechsel zwischen den Parteien zu der Frage, ob die noch auf den Konten vorhandenen Guthaben an den Kläger auszukehren sind. Dieser forderte den Beklagten schließlich unter Berufung auf ein Aussonderungsrecht mit Schreiben vom 25.10.2016 zur Auszahlung der Guthaben bis zum 15.11.2016 auf (Anlage K 7, Bl. 17 f. Papierakte LG).
Seine am 24.11.2017 zugestellte und auf Zahlung von 66.227,30 EUR nebst Zinsen sowie von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.752,90 EUR nebst Zinsen und Feststellung der Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung von Zinsen auf verausl...