Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzuständiges Gericht; Volljährigenadoption
Leitsatz (amtlich)
1. Haben die Vorinstanzen zu Unrecht ihre örtliche Zuständigkeit angenommen, so sind die Entscheidungen im Rechtsmittelverfahren gleichwohl nicht aufzuheben, wenn die bisher tätigen Gerichte zum Bezirk des Rechtsbeschwerdegerichts gehören und weitere Aufklärung nicht erforderlich ist. In diesem Fall ist dem Rechtsbeschwerdegericht eine eigene Entscheidung nicht verwehrt.
2. Verbleibende Zweifel an den Voraussetzungen einer Volljährigenadoption gem. § 1767 Abs. 1 BGB führen zur Ablehnung des Adoptionsantrages.
Hauptzweck der Adoption muss die Begründung einer dem natürlichen Eltern-Kind-Verhältnis nachgebildeten Beistandsgemeinschaft sein.
Normenkette
FGG §§ 7, 43b; BGB § 1767
Verfahrensgang
LG Bonn (Beschluss vom 01.08.2006; Aktenzeichen 4 T 312/06) |
AG Königswinter (Beschluss vom 22.06.2006; Aktenzeichen 11 XVI 8/05) |
Tenor
Die Beschlüsse des AG Königswinter vom 22.6.2006 - 11 XVI 8/05 - und des LG Bonn vom 1.8.2006 - 4 T 312/06 - werden aufgehoben.
Die Adoptionsanträge werden zurückgewiesen.
Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die 78-jährige, verwitwete Beteiligte zu 3. hat im August 2005 beim Vormundschaftsgericht - AG Königswinter - beantragt, die Annahme der inzwischen knapp 22-jährigen Beteiligten zu 1. und der 25-jährigen Beteiligten zu 2. auszusprechen. Diese sind türkische Staatsangehörige und seit ca. 9 Jahren vollziehbar ausreisepflichtig. Sie leben zusammen mit ihren Geschwistern und Eltern in Königswinter. Die Beteiligte zu 3., die in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Beteiligten zu 1. und 2. lebt, haben diese etwa 1999 während eines Praktikums im Altenheim "St. L" kennen gelernt, in welchem die Beteiligte zu 3. bis September 2005 ehrenamtlich tätig war.
Das Vormundschaftsgericht hat den Adoptionsantrag nach Anhörung aller Beteiligten durch Beschl. v. 22.6.2006 - 11 XVI 8/05 AG Königswinter - zurückgewiesen. Zur Begründung hat das AG darauf verwiesen, dass die Annahme als Kind sittlich nicht gerechtfertigt sei, weil sie dazu diene, die Abschiebung der Anzunehmenden in die Türkei zu verhindern. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das LG durch Beschl. v. 1.8.2006 - 4 T 312/06 - zurückgewiesen.
Mit ihrer fristgerecht gegen die Beschwerdeentscheidung eingelegten weiteren Beschwerde verfolgen die Beteiligten ihren Adoptionsantrag weiter. Das LG habe lediglich pauschal auf die drohende Abschiebung der Beteiligten zu 1. und 2. abgestellt. Die Rechtsbeschwerde sieht darin eine Verletzung von Art. 6 GG. Das Grundrecht verleihe einen Anspruch darauf, ein bestehendes Mutter-Kind-Verhältnis durch eine Adoption offiziell werden zu lassen.
II.1. Die zulässigen weiteren Beschwerden führen zwar zur Aufhebung der Vorentscheidungen, in der Sache indes zu keinem Erfolg.
a) Das AG Königswinter war zur Entscheidung örtlich nicht zuständig. Auch dem LG Bonn fehlte die örtliche Zuständigkeit.
Zuständig für die Entscheidung über die Adoption wäre das AG Köln gewesen, da es als AG am Sitz des OLG gem. § 43b Abs. 2 S. 2 FGG für sämtliche Adoptionen im Bezirk des OLG Köln zuständig ist, bei denen wegen der ausländischen Staatsangehörigkeit des Annehmenden zusätzlich ausländisches Recht zu prüfen ist. Diese Zuständigkeitsbestimmung gilt nicht nur bei Adoptionen Minderjähriger, sondern nach der Rechtsprechung des Senats auch bei Adoptionen Volljähriger mit ausländischer Staatsangehörigkeit (Senat vom 29.5.2006, StAZ 2006, 234; vgl. auch Senat vom 17.10.2005, StAZ 2006, 76). Ein solcher Fall liegt hier. Die Anzunehmenden, die Beteiligten zu 1. und 2. sind türkische Staatsangehörige.
b) Nach § 7 FGG sind gerichtliche Handlungen eines örtlich unzuständigen Gerichts zwar nicht wegen fehlender Zuständigkeit unwirksam. Im Rechtsmittelverfahren sind sie indes wegen dieses Verfahrensfehlers aufzuheben, ohne dass es hierzu einer Rüge bedarf (vgl. Keidel/Kuntze/Zimmermann, FGG, 15. Aufl., § 7 Rz. 36).
Eine Aufhebung und Zurückverweisung mit dem Ziel der Abgabe an das zuständige AG ist hier allerdings entbehrlich. Denn dem Rechtsbeschwerdegericht ist auch eine eigene Entscheidung nicht verwehrt, wenn die bisher tätigen Gerichte und das zuständige Amts- oder LG zu seinem Bezirk gehören und weitere Aufklärung nicht erforderlich ist (Keidel/Kuntze/Zimmermann, FGG, 15. Aufl., § 7 Rz. 37; Bumiller/Winkler, FFG, 8. Aufl., § 7 Rz. 16; ebenso BayObLG vom 7.3.1968, BayObLGZ 68, 62 ff. m.w.N.; KG vom 21.2.1966, OLGZ 1966, 321 für das Beschwerdegericht). Dieser Rechtsprechung schließt sich der Senat an. In Anbetracht der in der Entscheidung des BayObLG vom 7.3.1968 herangezogenen Gründe hat der Senat ebenfalls keine Bedenken gegen eine eigene Sachentscheidung, die grundsätzlich bei hinreichend aufgeklärtem Sachverhalt rechtlich möglich ist. Auch das Erfordernis des gesetzlichen Richters spricht nicht dagegen, da diesem durch die Entscheidung des zuständigen OLG Rechnung getragen wird. Schließlich...