Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Zahnarztes wegen CMD nach Erneuerung der Prothetik
Leitsatz (amtlich)
1. Aus dem Umstand, dass der Patient nach der Erneuerung von Zahnkronen und Brücken über massive Kopfschmerzen und Schwindel klagt, kann nicht auf einen Behandlungsfehler geschlossen werden. Dies gilt auch dann, wenn davon auszugehen ist, dass beim Patienten eine CMD vorliegt, die bereits vor der Behandlung angelegt war und die durch die Erneuerung der Prothetik dekompensiert ist.
2. Wird ein Patient nicht darüber aufgeklärt, dass bei einer bereits vorhandenen irregulären Frontzahnbeziehung und unversorgt bleibenden Quadranten durch die Erneuerung von Zahnkronen und Brücken das Risiko einer CMD besteht, kann eine Haftung wegen eines Aufklärungsfehlers in Betracht kommen.
Normenkette
BGB §§ 249, 253, 280, 611, 823
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 17.02.2015; Aktenzeichen 3 O 167/15) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 17.02.2015 verkündete Urteil der 3 . Zivilkammer des LG Köln - 3 O 167/11 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Das angefochtene Urteil und dieser Beschluss sind vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.
Gründe
I. Der Kläger ist niedergelassener Zahnarzt und verlangt von der Beklagten die Zahlung von Honorar für eine zahnärztliche Behandlung in der Zeit vom 19.11.2010 bis zum 13.02.2011.
Die Beklagte stellte sich dem Kläger im Oktober 2010 mit Schmerzen im rechten Unterkiefer vor. Der Kläger entfernte den Zahn 27, behandelte den Zahn 17 endodontisch und entfernte erneuerungsbedürftige Kronen und Brücken. Anschließend versorgte er die Zähne 14 bis 17, 34-36 und 44-47 mit voll keramischen Kronen und Brücken. Der Bereich 25-28, in dem die Beklagte weder Zähne noch Zahnersatz hatte, blieb auf deren Wunsch unversorgt.
Anfang des Jahres 2011 erschien die Beklagte mehrmals in der Praxis des Klägers und klagte über Schmerzen. Der Kläger bzw. seine Urlaubsvertretung schliff Kronen ab und empfahl der Beklagten das Tragen einer Aufbissschiene. Die Schiene trug die Beklagte nur eine kurze Zeit lang, weil sie drückte. Der Ehemann brachte die Schiene in die Praxis zurück. Das Angebot, die Schiene zu schleifen, lehnte er ab.
Da die Schmerzen in der Folgezeit nicht aufhörten, entfernte der Kläger auf ausdrücklichen Wunsch der Beklagten und ihres Ehemannes die in den Quadranten 1 (regio 14-17) und 3 (regio 34-36) neu eingegliederten Kronen und Brücken. Nachdem die Beklagte auch eine Entfernung der Brücke in Bereich der Zähne 44-47 verlangte und der Kläger dies ablehnte, wechselte die Beklagte die Zahnarztpraxis. Die Brücke wurde noch im Februar 2011 durch die Nachbehandlerin Frau Dr. E entfernt.
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 11.394,09 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 10.343,93 Euro ab dem 18.04.2011 und einem Betrag in Höhe von 1.050,16 EUR ab dem 19.05.2011 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Widerklagend hat sie beantragt,
1. den Kläger und Widerbeklagten zu verurteilen, an sie ein der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 7.000,00 EUR, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
2. den Kläger und Widerbeklagten zu verurteilen, an sie die Kosten für die Weiterbehandlung durch die Zahnärztin Frau Dr. E gemäß Heil- und Kostenplan vom 20.09.2012 in Höhe von 4.643,46 EUR zu zahlen;
3. festzustellen, dass der Kläger und Widerbeklagte verpflichtet ist, der Beklagten und Widerklägerin sämtlichen weiteren materiellen Schaden sowie sämtlichen weiteren, derzeit nicht vorhersehbaren Zukunftsschaden zu ersetzen, der auf die fehlerhafte Zahnbehandlung in der Zeit vom 19.11.2010 bis zum 18.2.2011 zurückzuführen ist, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder noch übergehen werden.
Der Kläger und Widerbeklagte beantragt, die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagte hat dem Kläger Behandlungs- und Aufklärungsfehler vorgeworfen. Sie hat behauptet, der durch den Kläger eingegliederte Zahnersatz sei für sie unbrauchbar gewesen. Der Kläger habe sie vor Beginn der Behandlung darüber aufklären müssen, dass durch die Erneuerung der Kronen und Brücken eine Veränderung der Bisslage eintreten und diese nur durch das Tragen einer Aufbissschiene zu regulieren sei. Die ihr vom Kläger empfohlene Aufbissschiene sei untragbar gewesen.
Wegen der Einzelheiten des streitigen Vorbringens der Parteien und der tatsächlichen Feststellungen des LG wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil (Bl. 216 ff d.A.) Bezug genommen.
Die Kammer hat Beweis erhoben durch ...