Verfahrensgang
LG Aachen (Aktenzeichen 7 O 78/18) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 09.07.2018 wird der Beschluss des Landgerichts Aachen vom 07.06.2018 aufgehoben und der Klägerin Prozesskostenhilfe mit Wirkung ab Antragstellung für folgenden Antrag bewilligt:
Der Beklagte wird verurteilt, seine Einwilligung zum Verkauf des Eigentums an dem Grundstück Gemarkung A Flur 3 Nr. 939, Gebäude- und Freifläche, Bstraße 126, 1.560 qm groß, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts Aachen von A Blatt 1414, zu einem Kaufpreis in Höhe des von einem von der C öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken festgestellten Verkehrswertes zu erteilen und alle notwendigen Erklärungen zur lastenfreien Eigentumsverschaffung des Käufers/der Käuferin abzugeben.
Zugleich werden der Klägerin Rechtsanwälte D, E & F in G zur vorläufig unentgeltlichen Wahrnehmung der Rechte in 1. Instanz beigeordnet.
Im Hinblick auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der antragstellenden Partei wird von der Anordnung einer ratenweisen Zahlung der Prozesskosten zunächst abgesehen. Sollten sich die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ändern, kann dieser Beschluss gemäß § 120a Abs. 1 ZPO abgeändert werden.
Der weitergehende Antrag der Klägerin sowie ihre weitergehende Beschwerde werden zurückgewiesen.
Eine Gerichtsgebühr wird nicht erhoben (KV 1820).
Eine Kostenerstattung erfolgt nicht.
Gründe
1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den ihr Prozesskostenhilfegesuch insgesamt zurückweisenden Beschluss ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden.
2. Sie ist auch in der Sache überwiegend begründet. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung der Klägerin bietet zumindest in dem tenorierten Umfang hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 114 ZPO.
Entgegen der vom Landgericht in dem angefochtenen Beschluss vertretenen Auffassung hat die Klägerin einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zustimmung zu dem beabsichtigten freihändigen Verkauf des hälftigen Miteigentumsanteils an dem im Tenor näher bezeichneten Grundstück aus § 2120 BGB. Nach dieser Vorschrift ist der Nacherbe, sofern zur ordnungsmäßigen Verwaltung des Nachlasses, insbesondere zur Berichtigung von Nachlassverbindlichkeiten, eine Verfügung erforderlich ist, die der Vorerbe nicht mit Wirkung gegen den Nacherben vornehmen kann, verpflichtet, seine Einwilligung zu der Verfügung in der entsprechenden Form zu erteilen, § 2120 BGB. Der Beklagte ist hinsichtlich des allein in den Nachlass fallenden hälftigen Miteigentumsanteils des Erblassers an dem im Tenor näher bezeichneten Grundstück Nacherbe, die Klägerin nicht befreite Vorerbin. Gemäß §§ 2112, 2113 BGB ist die Verfügung über ein zur Erbschaft gehörendes Grundstück oder ein Recht an einem Grundstück insoweit unwirksam, als sie das Recht des Nacherben vereiteln oder beeinträchtigen würde. Entsprechendes gilt, wenn nur ein Bruchteil an einem Grundstück zum Nachlass gehört, bezüglich dieses Bruchteils (vgl. Palandt-Weidlich, BGB 77. Auflage, § 2113 Rn. 4). Der Verkauf des gesamten streitgegenständlichen Grundstücks - wie die Klägerin es ausweislich der Klageschrift beabsichtigt - würde die dem Beklagten aus der Nacherbschaft zustehenden Rechte an dem in den Nachlass fallenden hälftigen Miteigentumsanteil an dem in Rede stehenden Grundstück aufheben und auf den Verkaufserlös als Surrogat beschränken. Daher ist die von der Klägerin beabsichtigte Veräußerung des Gesamtgrundstückes ohne Zustimmung des Beklagten unwirksam (vgl. hierzu auch Palandt-Weidlich, BGB, § 2113 Rn. 4; vgl. ferner BGH ZEV 2005, 28).
Eine Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung der Einwilligung in den Verkauf des Grundstückes besteht gemäß § 2120 BGB nur dann, wenn sich der Verkauf des Grundstückes als zur ordnungsmäßigen Verwaltung des Nachlasses erforderliche Maßnahme darstellt. Dies kann nicht mit der Begründung verneint werden, dass der Verkauf nicht zum Zwecke der Berichtigung von Nachlassverbindlichkeiten dienen soll. Denn die ordnungsmäßige Verwaltung geht - wie durch den "insbesondere"-Zusatz deutlich wird - über den Kreis der Maßnahmen zur Berichtigung von Nachlassverbindlichkeiten hinaus. Welche Maßnahmen im einzelnen als ordnungsmäßige Verwaltung angesehen werden können, ist objektiv und an den jeweiligen wirtschaftlichen Interessen und Besonderheiten des Nachlasses orientiert zu entscheiden (vgl. Palandt-Weidlich, BGB, § 2120 Rn. 2). Diese Frage muss sich darüber hinaus an den Besonderheiten der konkret in Rede stehenden Verfügung messen lassen (Palandt-Weidlich, BGB, § 2120 Rn. 2). Berücksichtigung finden muss ferner der von der Regelung des § 2120 BGB verfolgte Sinn und Zweck. Diese Vorschrift soll nach dem Willen des Gesetzgebers in erster Linie den Nacherben und sein Interesse an der Substanzerhaltung und -erlangung schützen und den Vorerben zur Wahrung dieses Interesses verpflichten (vgl. Staudinger-Avenarius, BGB (2013), § 2120 Rn. 1; Palandt-Weidli...