Entscheidungsstichwort (Thema)
Gerichtsstand bei Unterhaltsklagen des Kindes gegen die Großeltern
Leitsatz (amtlich)
1. Die Zuständigkeitsbestimmung des § 642 Abs. 1 ZPO betrifft nicht den gesetzlichen Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes gegen seine Großeltern (§ 1607 Abs. 1 BGB). Die örtliche Zuständigkeit des FamG richtet sich in diesem Falle vielmehr nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 12, 13 ZPO.
2. Decken die Leistungen des barunterhaltspflichtigen Elternteils nicht einmal den Kindesunterhalt in Höhe des jeweiligen Regelbetrags nach der RegelbetragVO ab und ist der betreuende Elternteil nicht in der Lage, neben der Kindesbetreuung auch noch den restlichen Barunterhalt des Kindes aufzubringen, kommt ein ergänzender Unterhaltsanspruch des Kindes gegen die Großeltern jedenfalls bis zur Höhe des Regelbetrags, ggf. sogar bis zur Höhe des Existenzminimums (135 % des Regelbetrags) in Betracht.
Verfahrensgang
AG Rheinbach (Aktenzeichen 6 F 50/03) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
Gründe
Die gem. § 127 Abs. 2 S. 2 Hs. 1 ZPO statthafte sofortige Beschwerde des Antragstellers ist auch i.Ü. zulässig. Da das AG ausweislich der richterlichen Verfügung vom 6.5.2003 ungeachtet des Umstands, dass die Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach der seit dem 1.1.2002 geltenden Rechtslage nur noch mit der fristgebundenen (§ 127 Abs. 2 S. 3 ZPO) sofortigen Beschwerde gemäss §§ 567 ff. ZPO angefochten werden kann, keine förmliche Zustellung des angegriffenen Beschlusses veranlasst hat, ist die einmonatige Beschwerdefrist nicht in Gang gesetzt worden (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 569 Rz. 4). Eine zeitliche Grenze für die Einlegung der Beschwerde ergibt sich in einem solchen Falle nur aus dem Gesichtspunkt der Verwirkung (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 569 Rz. 4), dessen Voraussetzungen hier ersichtlich nicht vorliegen.
Die Beschwerde hat auch in der Sache selbst zumindest vorläufigen Erfolg. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Stufenklage kann hinsichtlich der zunächst betroffenen Auskunftsstufe nicht mit der vom AG gegebenen Begründung abgelehnt werden.
In formeller Hinsicht ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die örtliche Zuständigkeit des AG Rheinbach für die beabsichtigte Stufenklage und demgemäss auch für die Bescheidung des Prozesskostenhilfeantrags nicht gegeben ist. Der Antragsteller hat die Klage – zutreffend – bei dem AG Köln als dem gem. §§ 12, 13 ZPO für den Wohnort der Beklagten zuständigen FamG eingereicht. Das AG Köln hat, soweit ersichtlich ohne vorherige Anhörung der Verfahrensbeteiligten, sich für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit gem. § 642 ZPO an das AG Rheinbach „abgegeben”. Diese Abgabe war fehlerhaft, weil die Zuständigkeitsbestimmung des § 642 ZPO nach ihrem ausdrücklichen Wortlaut nur für Verfahren gilt, die die gesetzliche Unterhaltspflicht eines Elternteils oder beider Elternteile ggü. einem minderjährigen Kind betreffen (§ 642 Abs. 1 S. 1 ZPO). Demgegenüber ist Gegenstand des vorliegenden Verfahrens die sog. Ersatzhaftung der Großeltern gem. § 1607 Abs. 1 BGB. Für den Unterhaltsanspruch eines (minderjährigen) Kindes gegen seine Großeltern gilt § 642 ZPO jedoch allgemeiner Auffassung nach nicht. Vielmehr muss der Gegenstand des Verfahrens stets mit dem Unterhaltsanspruch eines minderjährigen Kindes gegen seine Eltern bzw. einen Elternteil zusammenhängen. Gesetzliche Unterhaltsansprüche von Kindern gegen andere Unterhaltsverpflichtete sind ungeachtet der, in Bezug auf die Zuständigkeitsfrage, vergleichbaren Interessenlage nicht umfasst (vgl. AG Bad Homburg v. 2.12.1998 – 9 F 423/98, FamRZ 1999, 1450; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 25. Aufl., Vorbem § 642 Rz. 4, § 642 Rz. 2; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 61. Aufl., § 642 Rz. 1; Coester/Waltjen in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 642 Rz. 2; Gerhardt u.a. [Hrsg.], Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 3. Aufl., Kap. 6 Rz. 208b a.E.). Zwar erfasst § 642 Abs. 1 im Hinblick auf den weit gefassten Wortlaut („betreffen”) allgemeiner Auffassung zu Folge auch solche Verfahren, die mit dem Unterhalt des Minderjährigen sachlich zusammenhängen (vgl. Zöller/Phillipi, ZPO 23. Aufl., § 642 Rz. 1). Ein solcher Sachzusammenhang besteht indes mit dem Anspruch aus § 1607 Abs. 1 BGB nicht. Denn die Vorschrift begründet eine eigene Unterhaltspflicht des nachrangig haftenden Verwandten (vgl. Staudinger/Engler, BGB, 13. Bearbeitung, § 1607 Rz. 6; Eschenbruch/Wohlgemuth, Der Unterhaltsprozess, 2. Aufl., Rz. 3117), also keine Verpflichtung, die als – noch – sachlich zu der Unterhaltspflicht der Eltern gehörend angesehen werden kann. Danach verbleibt es bei den allgemeinen Zuständigkeitsregeln, so dass sich die örtliche Zuständigkeit nach dem Wohnsitz der in Anspruch genommenen Großeltern (§§ 12, 13 ZPO) richtet. Diese wohnen im Streitfall in Köln.
Der Senat sieht sich allerdings – unabhängig davon, dass ...