Verfahrensgang
LG Aachen (Aktenzeichen 10 O 515/01) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag der Antragstellerin nach Maßgabe der nachfolgenden Gründe an das LG zurückverwiesen.
Gründe
Die Beschwerde wendet sich mit Erfolg dagegen, dass das LG der Antragstellerin wegen vermeintlich fehlender Erfolgsaussicht ihrer beabsichtigten Rechtsverfolgung die beantragte Prozesskostenhilfe verweigert hat.
I. Die Rechtsansicht der Zivilkammer, die Antragstellerin sei durch die von ihr übernommene Höchstbetragsbürgschaft von 400.000 DM für den Kredit in gleicher Höhe, den die Antragsgegnerin dem damaligen Ehemann der Antragstellerin zur Fertigstellung von 2 Eigentumswohnungen gewährt hat, nicht krass überfordert, weil durch die dingliche Absicherung des Darlehens (durch Eintragung einer erstrangigen Grundschuld i.H.v. 400.000 DM zu Lasten beider Eigentumswohnungen) das Bürgschaftsrisiko jedenfalls auf ein vertretbares Maß „praktisch minimiert” worden sei, hält einer Überprüfung nicht stand.
1. Anderweitige Sicherheiten begrenzen das Haftungsrisiko, bei dessen Beurteilung von der gesicherten Forderung auszugehen ist, nur, wenn der Bürge infolge der übrigen dem Kreditgeber gewährten Sicherheiten in rechtlich gesicherter Weise davor geschützt ist, in einem Maße in Anspruch genommen zu werden, das seine finanzielle Leistungsfähigkeit krass überfordert. Dieser Schutz ist unter anderem dann nicht gegeben, wenn im Bürgschaftsvertrag die Rechte des Bürgen aus § 776 BGB abbedungen sind, so dass der Kreditgeber andere Sicherheiten aufgeben kann, ohne dass der Bürge in der Höhe frei wird, in der er aus der aufgegebenen Sicherheit nach § 774 BGB hätte Ersatz erlangen können, oder wenn sonstige Maßnahmen und Vereinbarungen, welche die Bank hinsichtlich ihrer Ansprüche oder bei der Verwertung anderweitiger Sicherheiten für zweckmäßig erachtet, den Umfang der Bürgschaftsverpflichtung nicht berühren sollen (BGH v. 18.9.1997 – IX ZR 283/96, MDR 1997, 1103 = NJW 1997, 3372 [3373]; Urt. v. 8.10.1998 – IX ZR 257/97, MDR 1999, 106 = NJW 1999, 58 [59];Urt. v. 27.1.2000 – IX ZR 198/98, MDR 2000, 467 = NJW 2000, 1182[1184]; v. 14.11.2000 – VIII ZR 40/00, = MDR 2001, 283 = BGHReport 2001, 122 = NJW 2001, 815 [816]).
2. Diese Einschränkung, die sich aus der angeführten – auch im angefochtenen Beschluss (mit Parallelfundstellen) zitierten – ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung ergibt, hat das LG nicht beachtet. Gemäß Nr. 5 der Allgemeinen Bürgschaftsbedingungen war die Antragsgegnerin befugt, den Erlös von Sicherheiten sowie Zahlungen des Hauptschuldners zunächst auf den Betrag ihrer Ansprüche zu verrechnen, der die Bürgschaftssumme übersteigt. Das entspricht zwar im Wesentlichen der gesetzlichen Regelung des § 366 Abs. 2 BGB, sofern der Leistende keine anderweitige Bestimmung i.S.d. § 366 Abs. 1 BGB trifft, findet jedoch für den Bürgen seine gesetzliche Grenze in § 776 BGB. Danach wird der Bürge insoweit frei, als der Gläubiger eine anderweitige Sicherheit aufgibt und der Bürge hieraus nach § 774 BGB hätte Ersatz verlangen können. Diese den Bürgen schützende Vorschrift hat die Antragsgegnerin in Nr. 8 der Allgemeinen Bürgschaftsbedingungen formularmäßig abbedungen und sich das Recht vorbehalten, ohne Zustimmung des Bürgen mit dem Hauptschuldner Stundung zu vereinbaren oder einen Vergleich zu schließen, ohne dass sich die Forderung aus der Bürgschaft nach §§ 767 Abs. 1, 768 BGB reduziert. Es kommt hier nicht darauf an, inwieweit diese Klauseln mit den Bestimmungen des AGB-Gesetzes zu vereinbaren sind (den formularmäßigen uneingeschränkten Verzicht auf die Rechte aus § 776 BGB hält der BGH in neuerer Rechtsprechung für unwirksam, vgl. BGH, Urt. v. 2.3.2000 – IX ZR 328/98, MDR 2000, 841 = NJW 2000, 1566; v. 26.4.2001 – IX ZR 337/98, MDR 2001, 1180 = BGHReport 2001, 671 = NJW 2001, 2466). Jedenfalls muss die Bank, die Schutzrechte des Bürgen beschneidet, dann auch die Folgen hinnehmen, die sich hieraus für die Beurteilung ergeben, inwieweit der Bürge durch anderweitige Sicherheiten vor einer seine finanzielle Leistungsfähigkeit übersteigenden Inanspruchnahme geschützt ist (BGH v. 18.9.1997 – IX ZR 283/96, MDR 1997, 1103 = NJW 1997, 3372 [3373]).
3. Das sich aus der Vertragsgestaltung für den Bürgen ergebende rechtliche Risiko kann zwar ausnahmsweise durch tatsächliche, den Beteiligten schon bei Vertragsschluss offenbare Umstände faktisch hinreichend sicher deutlich herabgesetzt sein (vgl. BGH v. 30.3.1995 – IX ZR 98/94, MDR 1995, 892 = NJW 1995, 1886). Dazu reicht es indessen nicht aus, dass die Antragsgegnerin behauptet, der Antragstellerin seinerzeit mündlich zugesichert zu haben, dass sie aus der Bürgschaft nur dann in Anspruch genommen werde, wenn der Verkaufserlös der im Bau befindlichen Eigentumswohnungen, welche nach Fertigstellung planmäßig verkauft werden sollten, nicht zur Abdeckung der Schuldsumme ausreichen werde und alle anderen Sicherheiten realisiert ...