Entscheidungsstichwort (Thema)
Sorgerechtverfahren: streitige Übertragung der Alleinsorge bei Getrenntleben der Eltern setzt konkrete Feststellung der Kindeswohldienlichkeit voraus; kein Regel-Ausnahme-Verhältnis; keine Vermengung von umgangs- und sorgerechtlichen Aspekten
Leitsatz (amtlich)
Die Übertragung der Alleinsorge und der damit verbundene Entzug der grundrechtlich geschützten Elternrechte des anderen Teils setzt konkrete tatrichterliche Feststellungen voraus, aus denen sich ergibt, dass die Alleinsorge dem Wohle der Kinder im Einzelfall am besten entspricht. Dabei steht allein der Umstand, dass keine Umgangskontakte stattfinden, der Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge nicht entgegen. Wird der Antrag auf alleinige elterliche Sorge mit fehlender elterlicher Kooperationsbereitschaft bzw. -fähigkeit begründet, muss eine konkrete und nachhaltige Einigungsunfähigkeit festgestellt werden, die sich negativ auf Entwicklung und Wohl des Kindes auswirkt. Nicht ausreichend für den Entzug der elterlichen Sorge eines Elternteils ist der Wunsch des anderen Elternteils, von Auseinandersetzungen befreit zu werden oder um Ruhe vor dem anderen zu haben. Die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts ist nicht gerechtfertigt, wenn zwischen den Eltern hinsichtlich des Aufenthalts des Kindes Einigkeit besteht und keine Anhaltspunkte für einen künftigen Wegfall dieses Einvernehmens vorliegen.
Normenkette
BGB § 1671 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
AG Waldbröl (Beschluss vom 19.12.2014; Aktenzeichen 12 F 171/14) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin vom 30.1.2015 gegen den Beschluss des AG - Familiengerichts - Waldbröl vom 19.12.2014 (Az. 12 F 171/14) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.
Der Antrag der Antragstellerin vom 6.3.2015 auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die am 0.0.1980 geborene Antragstellerin und der am 0.0.1984 geborene Antragsgegner sind getrennt lebende Eheleute. Aus der Ehe sind die drei Kinder K, geboren am 0.0.2006, U, geboren 0.0.2009, und T, geboren am 0.0.2012 hervorgegangen. Die Kindeseltern leben seit November 2013 getrennt. Im April 2014 wurde der Antragstellerin die eheliche Wohnung zur vorläufigen alleinigen Nutzung zugewiesen. Die Kinder werden seitdem von der Kindesmutter betreut und versorgt.
Die Antragstellerin hat beantragt, ihr die bisher gemeinsam mit dem Antragsgegner ausgeübte elterliche Sorge für die Kinder alleine zu übertragen, da dies dem Wohl der Kinder am besten entspreche. Der Antragsgegner halte den Kontakt zu seinen Kindern nicht aufrecht und es erfolgten auch keine Unterhaltszahlungen. Beim Antragsgegner bestehe seit Jahren eine ernste Alkoholproblematik, weshalb er sich nicht hinreichend intensiv um die Belange der Kinder kümmern könne. Die Kinder hätten Angst vor ihm. Die Ausübung des gemeinsamen Sorgerechts scheitere schon am Fehlen der erforderlichen Kooperationsbereitschaft. Der Antragsgegner habe sie - die Antragstellerin - geschlagen. Es sei ihr und den Kindern nicht zumutbar, den Therapieversuch des Kindesvaters abzuwarten. Dem Antragsgegner stehe nach Abschluss seiner Therapie das Recht zu, das gemeinsame Sorgerecht wieder zu beantragen.
Im Termin vom 27.6.2014 hat das AG die Kindeseltern, das Jugendamt und das Kind K persönlich angehört. Der Antragsgegner gab folgende Erklärung zu Protokoll ab:
"Ich, Herr X K2, Vater der Kinder K, geb. am 0.0.2006, U, geb. am 0.0.2009 und T, geb. am 0.0.2012, erteile der Mutter der Kinder und meiner Ehefrau, Frau F K2, die Vollmacht, für die vorgenannten Kinder alle Dinge des täglichen Lebens, die Gesundheitsfürsorge, die schulischen Angelegenheiten und alle behördlichen Angelegenheiten alleine zu regeln. Eine Zustimmung zu ihrem Handeln meinerseits bedarf es danach nicht mehr. Ich bin mir bewusst, dass diese Vollmacht so lange gilt, bis ich sie gerichtlich widerrufe."
Wegen aller weiteren Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift vom 27.6.2014 (Bl. 6 f. GA) Bezug genommen.
In der Zeit vom 13.8.2014 bis 3.12.2014 führte der Antragsgegner eine medizinische Rehabilitation (Entwöhnungsbehandlung) wegen seiner Alkoholabhängigkeit in einer Fachklinik durch.
Mit Schriftsatz vom 4.12.2014 (Bl. 39 GA) widerrief der Antragsgegner die im Termin vom 27.6.2014 erteilte Vollmacht, da er mittlerweile aus der Klinik entlassen sei und in die Verantwortung für die Kinder wieder eingebunden sein wolle.
Mit Beschluss vom 27.6.2014 wurde den Kindern Herr M als Verfahrensbeistand beigeordnet. Auf den schriftlichen Bericht des Verfahrensbeistands vom 21.7.2014 (Bl. 10 ff. GA) verwiesen.
Im abschließenden Termin vom 11.12.2014 hat das AG die Kindeseltern nochmals persönlich angehört sowie den Verfahrensbeistand und die Vertreterin des Jugendamtes. Auf die Sitzungsniederschrift vom 11.12.2014 (Bl. 45 f. GA) wird Bezug genommen.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 19.11.2013,...