Leitsatz (amtlich)
1. Die auf einen im Vorprozess erlangten rechtskräftigen Auskunftstitel gestützte Gewinnabschöpfungsklage nach § 10 UWG ist nicht rechtsmissbräuchlich, auch wenn der Zahlungsantrag auf der 3. Stufe im vorangegangenen Verfahren aufgrund geänderter höchstrichterlicher Rechtsprechung wegen seinerzeit unzulässiger Prozessfinanzierung zurückgenommen wurde.
2. Weiß der Verwender der AGB, dass in den Schadenspauschalen Kosten eingerechnet sind, die nach der gefestigten und in den gängigen Kommentaren angeführten Rechtsprechung des BGH nicht berücksichtigt werden durften, spricht dies für bedingten Vorsatz.
3. Macht der klagende Verband einen nach der erteilten Auskunft des Verwenders berechneten Gewinnabschöpfungsanspruch geltend, ist es Sache des Verwenders, zumindest im Rahmen einer sekundären Darlegungslast substantiiert vorzutragen, dass er tatsächlich geringere Einnahmen erzielt hat, als sich aus den mitgeteilten Buchungspositionen ergeben.
4. Etwa auf den Gewinn gezahlte Steuern bleiben bei der Berechnung des Abschöpfungsbetrages außer Betracht.
Normenkette
UWG § 10
Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 33 O 40/22) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung des Klägers wird das am 13.04.2023 verkündete Urteil der 33. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 33 O 40/22 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesamt für Justiz, einen Betrag i.H.v. 3.740.579,00 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 08.03.2017 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden der Beklagten auferlegt.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der klagende Verbraucherschutzverein macht eine Gewinnabschöpfungsklage nach § 10 UWG geltend wegen überhöhter Mahn- und Rücklastschriftpauschalen.
Die Beklagte bietet Internet- und Telefondienstleistungen an. Ihre "Preisliste Telefon und Internet" sah ab dem Jahr 2013 bis Juli 2016 Beträge von 5,00 EUR ab der 2. Mahnung und 9,00 EUR für eine Rücklastschrift vor. Auf Betreiben des Klägers wurde sie insoweit mit Anerkenntnisurteil aus Mai 2016 zur Unterlassung verpflichtet. Ab Juli 2016 reduzierte die Beklagte ihre Pauschalen auf 2,50 EUR bzw. 3,50 EUR.
Bezüglich der Gewinnabschöpfung befanden sich die Parteien zunächst in Verhandlungen. Mit Schreiben vom 21.09.2016 gab die Beklagte gegenüber dem Kläger eine Erklärung ab, wonach sie auf die Einrede der Verjährung für alle noch nicht verjährten Ansprüche auf Gewinnabschöpfung aus § 10 UWG verzichte. Die Erklärung enthielt u.a. folgenden Abschnitt:
"Dieser Verjährungsverzicht ist auflösend bedingt dadurch, dass die Parteien endgültig keine Einigung erzielt haben und der Verein nicht bis zum bis zum Ablauf des 15. Januar 2017 die Ansprüche gerichtlich geltend gemacht hat."
Unter dem 13.01.2017 erhob der Kläger unter Beteiligung eines gewerblichen Prozessfinanzierers im Verfahren 33 O 8/17 LG Köln eine Stufenklage. Mit vom Senat im Verfahren 6 U 26/18 bestätigtem Teilurteil vom 09.01.2018 wurde die Beklagte zur Auskunftserteilung verpflichtet. Nach Verhängung eines Zwangsgeldes erklärte die Beklagte im Oktober 2018, dass sie seit dem 21.09.2013 durch die Verwendung der Klauseln zur Mahnkostenpauschale in Höhe von 5,00 EUR Einnahmen in Höhe von 1.308.185,00 EUR und durch die Verwendung der Klauseln zur Rücklastschriftpauschale in Höhe von 9,00 EUR Einnahmen in Höhe von 2.432.394,00 EUR, insgesamt somit 3.740.579,00 EUR, erzielt habe. Diesen Einnahmen stellte die Beklagte Ausgaben in Höhe von 3.278.966,74 EUR gegenüber.
Aufgrund der Urteile des BGH vom 13.09.2018 (I ZR 26/17 - Prozessfinanzierer I) und 09.05.2019 (I ZR 205/17 - Prozessfinanzierer II) nahm der Kläger im Juni 2019 den noch unbezifferten Leistungsantrag der Stufenklage zurück. Im vorliegenden Verfahren macht er erneut - nunmehr ohne Beteiligung eines gewerblichen Prozessfinanziers - einen Gewinnabschöpfungsanspruch geltend.
Der Kläger hat vorgetragen, dass die Beklagte die überhöhten Pauschalen vorsätzlich erhoben habe. Die Beklagte sei an ihre Auskunft gebunden. Jedenfalls habe die Auskunft eine Umkehr der Beweislast zur Folge. Bei den von der Beklagten aufgeführten Kosten handele es sich, sofern sie überhaupt angefallen seien, um Sowieso-Kosten, die unabhängig von der überhöhten Pauschale angefallen wären, da Kunden auch die Hauptforderungen nicht gezahlt hätten. Angeblich gezahlte Steuern seien jedenfalls nicht abzugsfähig. Andernfalls profitiere die Beklagte von einer doppelten steuerlichen Berücksichtigung, was mit Sinn und Zweck des § 10 UWG nicht vereinbar sei. Insoweit müsse eine zukünftig...