Verfahrensgang
LG Bonn (Urteil vom 05.05.2015; Aktenzeichen 10 O 48/15) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels das am 05.05.2015 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 10. Zivilkammer des LG Bonn, 10 O 48/15, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.06.2014 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen haben der Kläger zu 2/3 und die Beklagte zu 1/3 zu tragen.
Dieses Urteil und das vorgenannte Urteil des LG Bonn im Umfang der Zurückweisung der Berufung sind vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Von einer Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
II. Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg, soweit die Beklagte zur Zahlung von mehr als 3.000,00 EUR nebst Zinsen verurteilt worden ist. Soweit das LG der Klage bezüglich eines Betrages von 3.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.06.2014 stattgegeben hat, hat die Berufung der Beklagten dagegen keinen Erfolg.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 3.000,00 EUR gem. §§ 143 Abs. 1, 133 Abs. 1 InsO. Ein weiter gehender Anspruch besteht nicht.
Die Voraussetzungen einer Anfechtung gem. § 133 Abs. 1 InsO sind bezüglich der Zahlungen in der Zeit vom 15.08.2013 bis zum 25.02.2014 in Höhe von insgesamt 3.000,00 EUR (6 × 500,00 EUR) gegeben, nicht aber bezüglich der Zahlungen in der Zeit vom 19.09.2012 bis zum 19.06.2013 in Höhe von insgesamt 6.500,00 EUR.
1. Allerdings stellen sämtliche angefochtene Zahlungen in der Zeit vom 19.09.2012 bis zum 25.02.2014 in Höhe von insgesamt 9.500,00 EUR Rechtshandlungen des Insolvenzschuldners im Sinn von § 133 Abs. 1 InsO dar, die innerhalb von 10 Jahren vor Insolvenzantragstellung am 05.05.2014 erfolgten und die Insolvenzgläubiger objektiv benachteiligten, da der gesamte gezahlte Betrag der Insolvenzmasse nicht mehr zur Verfügung steht.
2. Es lässt sich auf der Grundlage des Vortrags des Klägers sowie des unstreitigen Sachverhalts nicht feststellen, dass der Insolvenzschuldner in der Zeit bis zum 19.06.2013 mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt hat; nach diesem Zeitpunkt lag der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz dagegen vor.
Der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz ist gegeben, wenn der Schuldner bei Vornahme der Rechtshandlung (§ 140 InsO) die Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen als Erfolg seiner Rechtshandlung gewollt oder als mutmaßliche Folge, sei es auch als unvermeidliche Nebenfolge eines erstrebten anderen Vorteils, erkannt und gebilligt hat. Ein Schuldner, der zahlungsunfähig ist und seine Zahlungsunfähigkeit kennt, handelt in aller Regel mit Benachteiligungsvorsatz. In diesem Fall weiß er, dass sein Vermögen nicht ausreicht, um sämtliche Gläubiger zu befriedigen (BGH NZI 2015, 320 m.w.N.). Der Begriff der Zahlungsunfähigkeit beurteilt sich im gesamten Insolvenzrecht und darum auch im Insolvenzanfechtungsrecht nach § 17 InsO. Zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO kann eine Liquiditätsbilanz aufgestellt werden, wobei die im maßgeblichen Zeitpunkt verfügbaren und innerhalb von drei Wochen flüssig zu machenden Mittel in Beziehung zu setzen sind zu den am selben Stichtag fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten (BGH NZI 2015, 320 m.w.N.). Eine solche Liquiditätsbilanz hat der Kläger nicht vorgelegt.
Der Vorlage einer Liquiditätsbilanz bedarf es aber nicht, wenn im eröffneten Verfahren auch auf andere Weise festgestellt werden kann, ob der Schuldner einen wesentlichen Teil seiner fälligen Verbindlichkeiten nicht bezahlen konnte. Hat der Schuldner seine Zahlungen eingestellt, begründet auch dies gem. § 17 Abs. 2 S. 2 InsO die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit. Eine Zahlungseinstellung kann aus einem einzelnen, aber auch aus einer Gesamtschau mehrerer darauf hindeutender, in der Rechtsprechung entwickelter Beweisanzeichen gefolgert werden. Sind derartige Indizien vorhanden, bedarf es einer darüber hinaus gehenden Darlegung und Feststellung der genauen Höhe der gegen den Schuldner bestehenden Verbindlichkeiten oder einer Unterdeckung von mindestens zehn vom Hundert nicht (BGH NZI 2015, 369 m.w.N.).
Ein Indiz für eine Zahlungseinstellung kann schon in einem monatelangen Schweigen eines Schuldners auf die Rechnungen und vielfältigen Mahnungen eines Gläubigers gesehen werden (BGH NZI 2016, 266-269 m.w.N.). Zwar hatte sich hier ein Rückstand in Höhe von 9.221,36 EUR sogar über Jahre gebildet. Der Schuldner hatte hierzu auch geschwiegen und zunächst keine Zahlungen erbracht. Es ist indes nicht festzustellen, dass die Beklagte bezüglich des Rückstandes einen erheblichen Zahlungsdruck ausgeübt hatte. Die Beklagte hatte zwar Rechnungen erteilt. Mahnschreiben konnte der Kläger aber ...