Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 7 O 485/18) |
Tenor
Auf die Berufungen der Parteien und unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel wird das Urteil des Einzelrichters der 7. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 19.06.2019 - 7 O 485/18 - abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 21.464,06 EUR nebst Zinsen aus 37.508,32 EUR in Höhe von 4 Prozent seit dem 23.01.2014 bis zum 28.11.2018 und in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 25.000,00 EUR seit dem 29.11.2018 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des PKW mit der Fahrgestellnr. A.
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme dieses Fahrzeugs seit dem 29.11.2018 in Annahmeverzug befindet.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz tragen die Beklagte zu 58% und die Klägerin zu 42%.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Schuldner darf die Vollstreckung durch den jeweiligen Gläubiger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der jeweilige Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 37.508,32 EUR festgesetzt.
Die Revision wird für beide Parteien in dem in den Entscheidungsgründen näher dargelegten Umfang zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin macht gegen die Beklagte als Herstellerin sowie Verkäuferin des von ihr am 22.01.2014 zum Kaufpreis von 37.508,32 EUR als Neuwagen erworbenen VW B Highline 4Motion 2,0 l TDI (140 PS) deliktische Schadensersatzansprüche, gerichtet auf Rückgabe des Fahrzeugs gegen Rückzahlung des Kaufpreises geltend und stützt sich dabei maßgeblich darauf, dass in dem Fahrzeug ein Motor des Fabrikats EA189 verbaut ist, der von dem so genannten "Abgasskandal" betroffen ist. Das Fahrzeug wies am 11.03.2020, dem Tag vor der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat, einen Kilometerstand von 106.938 km auf.
Wegen des näheren Sach- und Streitstandes bis zur Entscheidung in erster Instanz und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen (Bl. 690 ff. GA).
Das Landgericht hat der auf Rückzahlung des vollen Kaufpreises Zug um Zug gegen Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs gerichteten Klage teilweise, nämlich in Höhe von 23.744,12 EUR, stattgegeben, die Verpflichtung der Beklagten zur Zinszahlung in Höhe von 4% aus dem Kaufpreis ausgesprochen sowie deren Annahmeverzug festgestellt. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.
Gegen dieses Urteil richten sich die Berufungen beider Parteien.
Die Klägerin erstrebt den Wegfall der vom Landgericht abgezogenen Nutzungsentschädigung, hilfsweise deren betragsmäßige Herabsetzung. Die Klägerin macht geltend: Sie müsse sich keine Gebrauchsvorteile im Wege der Vorteilsausgleichung anrechnen lassen, weil dies aus dem unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz folge. Aus der Richtlinie 2007/46/EG bzw. der Verordnung 715/2007/EG folge, dass die Mitgliedstaaten wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen für Verstöße gegen europäisches Typgenehmigungsrecht vorzusehen hätten. Über die bereits getroffenen öffentlich-rechtlichen Maßnahmen hinaus umfasse dies auch zivilrechtliche Folgen. Denn ansonsten blieben die Verstöße der Beklagten gegen das EG-Typ Genehmigungsrecht zivilrechtlich nahezu folgenlos. Die Grundsätze der Vorteilsausgleichung seien vorliegend auch deshalb nicht anzuwenden, da der Abzug einer Nutzungsentschädigung die Beklagte unangemessen entlaste und daher nicht der Billigkeit entspreche. Jedenfalls der Höhe nach sei die zu erstattende Nutzungsentschädigung zu hoch bemessen, da von einer Gesamtlaufleistung von mindestens 500.000 km auszugehen sei. Die von der Kammer angesetzten 250.000 km seien zu gering und unter Verstoß gegen den Grundsatz rechtlichen Gehörs der Ermittlung der geschuldeten Nutzungsentschädigung zugrunde gelegt worden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung vom 21.08.2019 (Bl. 720 ff. GA) Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt, unter teilweiser Abänderung der angefochtenen Entscheidung,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 13.764,20 EUR nebst Zinsen i.H.v. 4 % seit dem 23.01.2014 bis 28.11.2018 und seit dem 29.11.2018 i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen,
hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 6.882,10 EUR nebst Zinsen i.H.v. 4 % seit dem 23.01.2014 bis 28.11.2018 und seit dem 29.11.2018 i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen,
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil, soweit es zu ihren Gunsten ergangen ist, unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens.
Mit ihrer eigenen Berufung begehrt die Beklagte die vollst...