Leitsatz (amtlich)
Bestellt sich der Vorstand einer Aktiengesellschaft zum Geschäftsführer einer GmbH, deren alleinige Gesellschafterin die Aktiengesellschaft ist, so liegt darin kein Verstoß gegen § 112 AktG.
Normenkette
AktG § 112
Verfahrensgang
AG München (Aktenzeichen HRB 185529) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Beteiligten wird die Zwischenverfügung des AG München - Registergericht - vom 17.2.2012 aufgehoben.
II. Das AG München - Registergericht - wird angewiesen, die beantragte Eintragung von Herrn Michael Haupt als neuen, weiteren Geschäftsführer der Beschwerdeführerin vorzunehmen.
Gründe
I. Die Beteiligte ist eine GmbH, deren einzige Gesellschafterin eine Aktiengesellschaft ist. Einer ihrer Vorstände ist Herr H., den der Aufsichtsrat der AG am 8.2.2012 zum weiteren Vorstand der Aktiengesellschaft bestellt hatte. Gleichzeitig wurde er von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.
Auf einer Gesellschafterversammlung für die GmbH vom 13.2.2012 beschlossen die beiden Vorstände der Aktiengesellschaft, Herrn H. zum weiteren Geschäftsführer der GmbH zu bestellen.
Nach Anmeldung der Änderungen zum Handelsregister erhob das AG im Schreiben vom 17.2.2012 Bedenken, da ein Vorstand der Aktiengesellschaft nicht in der Lage sei, sich selbst zum Geschäftsführer der Tochter-GmbH zu ernennen.
Der dagegen eingelegten Beschwerde vom 20.2.2012 hat das AG am 22.2.2012 nicht abgeholfen und § 112 AktG als Hinderungsgrund angegeben.
II. Die zulässige Beschwerde ist begründet.
1. Die Bestellung der eigenen Person als Geschäftsführer der Tochter-GmbH durch den Vorstand der Mutter-AG fällt nicht in den Anwendungsbereich des § 112 AktG.
Dies ist allerdings umstritten.
a) Das LG Berlin (NJW-RR 1997, 1534) bejaht die Anwendbarkeit von § 112 AktG im vorliegenden Fall. Die Bestellung eines Geschäftsführers für die Tochter-GmbH sei nämlich keine laufende Geschäftsführungsmaßnahme, die die Anwendung von § 181 BGB ausschließe. Vielmehr liege ein Interessenkonflikt i.S.v. § 181 BGB vor. Die zu § 181 BGB entwickelten Grundsätze müssten auch im Rahmen des § 112 AktG herangezogen werden, da diese Vorschrift eine unbefangene Wahrung der Gesellschaftsbelange sichern und Interessenkollisionen verhindern wolle, wenn Vorstandsmitglieder an dem in Frage stehenden Rechtsverhältnis selbst beteiligt seien.
b) Dagegen will das OLG Frankfurt (ZIP 2006, 1904) § 112 AktG beim Abschluss eines Geschäftsführungsvertrags zwischen dem Vorstandsmitglied einer AG und einer GmbH & Co KG, an der die Aktiengesellschaft als Kommanditistin bzw. als alleinige Gesellschafterin der Komplementär-GmbH beteiligt ist, nicht anwenden. § 112 AktG sehe keine Allzuständigkeit des Aufsichtsrates vor, wenn es zwischen einem Vorstandsmitglied und der Aktiengesellschaft zu einer Interessenkollision kommen könne.
c) Die Literatur hält § 112 AktG auch bei Bestellung des Vorstands(mitglieds) einer AG als Geschäftsführer einer GmbH, deren alleinige Gesellschafterin die Aktiengesellschaft ist, nicht für anwendbar (Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 112 Rz. 3a mit weiteren Nachweisen). Zum einen gelte § 112 AktG nur für die Vertretung der Gesellschaft, nicht aber eines Dritten. Die Bestellung eines Vorstandsmitglieds zum Geschäftsführer einer Untergesellschaft sei allein ein Organakt der Untergesellschaft und nicht der Obergesellschaft als deren Alleingesellschafterin (Mertens in KölnKomm/AktG, 2. Aufl. 1996 § 112 Rz. 2). Zudem sei die Bestellung eines Geschäftsführers ein Vorgang der körperschaftlichen Willensbildung, für die das Verbot des Selbstkontrahierens nicht gelte (Mertens, a.a.O.; Hopt/Roth, AktG, 4. Aufl. 2006, § 112 Rz. 66 jeweils unter Hinweis auf BGHZ 52, 316 [318]; einschränkend aber BGH NJW 1989, 168, wonach für die Frage des Interessenkonfliktes nicht allein auf die Zielrichtung der Willenserklärung abgestellt werden kann). Schließlich berühre das Rechtsgeschäft auch nicht das Vorstandsamt der Vorstandsmitglieder und ihre daraus gegenüber der AG resultierenden Pflichten (Commichau Rpfleger 1995, 98 [99]; Hopt/Roth, a.a.O.); ein Interessenkonflikt hinsichtlich der Belange der Aktiengesellschaft sei daher nicht zu besorgen.
d) Der Senat schließt sich der Meinung der Literatur an. Der vom LG Berlin gezogene Schluss, dass die Grundsätze zu § 181 BGB vollständig auf § 112 AktG anzuwenden seien, überzeugt nicht. Schon nach dem Wortlaut sind die Vorschriften nicht deckungsgleich. § 112 AktG liegt die Erwägung zugrunde, dass der Vorstand befangen sein könnte, wenn es sich um die Vertretung der Aktiengesellschaft gegenüber den Vorständen geht. Eine Anwendung auf ein Rechtsgeschäft zwischen dem Vorstand der Aktiengesellschaft und einer GmbH, an der die AG beteiligt ist, würde den Anwendungsbereich des § 112 AktG zu weit ausdehnen. § 112 AktG ist - anders als § 181 BGB - nicht abdingbar (OLG Hamburg NJW-RR 1986, 1483; Hüffer, § 112 Rz. 1). Die Anwendung des § 112 AktG auf alle Fälle des § 181 BGB würde daher zur Folge haben, dass in solchen Fällen immer der Aufsichtsrat für die Aktiengesellschaft...