Leitsatz (amtlich)
1. § 71 Abs. 3 GmbHG findet auch Anwendung, wenn über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet ist (Abgrenzung zu OLG München vom 10.8.2005 - ZIP 2005, 2068).
2. Eine GmbH & Co. KG kann entsprechend § 71 Abs. 3 GmbHG, § 270 Abs. 3 AktG von der Pflicht zur Prüfung des Jahresabschlusses befreit werden.
Normenkette
GmbHG § 71 Abs. 3; AktG § 270 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Augsburg (Beschluss vom 29.08.2007; Aktenzeichen 3HK T 3263/07) |
AG Augsburg (Beschluss vom 01.08.2007; Aktenzeichen HRA 14740) |
Tenor
I. Auf die sofortige weitere Beschwerde des weiteren Beteiligten werden der Beschluss des LG Augsburg vom 29.8.2007 und der Beschluss des AG Augsburg vom 1.8.2007 aufgehoben.
II. Die Sache wird zu anderer Behandlung und neuer Entscheidung an das AG Augsburg zurückverwiesen.
III. Der Geschäftswert für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Über das Vermögen der beteiligten Gesellschaft, einer GmbH & Co. KG, ist durch Beschluss vom 15.4.2005 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Insolvenzverwalter ist der weitere Beteiligte. Er hat beantragt, in analoger Anwendung von § 71 Abs. 3 GmbHG die Gesellschaft von der Pflicht zur Prüfung der Jahresabschlüsse für das Rumpfwirtschaftsjahr zum 31.12.2005 und das Wirtschaftsjahr zum 31.12.2006 zu befreien. Die Jahresabschlüsse der Gesellschaft seien zwar bis einschließlich 31.12.2006 prüfungspflichtig, da in den Jahren 2003 bis einschließlich 2005 die Größenordnungsmerkmale Bilanzsumme und Umsatzerlöse für mittelgroße Kapitalgesellschaften überschritten gewesen seien. Dennoch sei eine Prüfung dieser Jahresabschlüsse aufgrund der Überschaubarkeit der Verhältnisse ab 2005 nicht mehr geboten. Der Geschäftsbetrieb sei mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingestellt worden, eine Betriebsfortführung habe nicht stattgefunden.
Das AG hat die Anwendbarkeit des § 71 Abs. 3 GmbHG im Insolvenzverfahren unter Bezugnahme auf den Senatsbeschluss vom 10.8.2005 (ZIP 2005, 2068) verneint und den Antrag zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde des Insolvenzverwalters blieb erfolglos. Mit der sofortigen weiteren Beschwerde verfolgt er den Antrag auf Befreiung von der Prüfungspflicht weiter.
II. Das zulässige Rechtsmittel ist begründet (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO); es führt zur Zurückverweisung der Sache an das AG. Auch eine GmbH & Co. KG, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet ist, kann grundsätzlich entsprechend § 71 Abs. 3 GmbHG, § 270 Abs. 3 AktG von der Prüfungspflicht befreit werden.
1. § 71 Abs. 3 GmbHG findet auch Anwendung, wenn über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet ist (h.M., vgl. Baumbach/Schulze/Osterloh GmbHG 18. Aufl., § 64 Rz. 72; Braun/Dithmar InsO 3. Aufl., § 155 Rz. 10; Uhlenbruck/Maus InsO 12. Aufl., § 155 Rz. 10; MünchKomm/InsO/Füchsl/Weißhäupl § 155 Rz. 21; widersprüchlich Roth/Altmeppen GmbHG 5. Aufl., § 71 Rz. 2 - ablehnend und Rz. 36 - bejahend). § 155 Abs. 1 Satz 1 InsO bestimmt, dass handels- und steuerrechtliche Pflichten des Schuldners zur Buchführung und zur Rechnungslegung unberührt bleiben. Die Möglichkeit der Befreiung von der Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts, die § 71 Abs. 3 GmbHG bzw. § 270 Abs. 3 AktG eröffnen, wird durch § 155 Abs. 1 Satz 1 InsO nicht ausgeschlossen (vgl. Begr. RegE zu § 174 InsO-E = § 155 InsO BT-Drucks. 12/2443, 172). Allerdings hat der Senat mit Beschluss vom 10.8.2005 (ZIP 2005, 2068) entschieden, dass § 71 Abs. 3 GmbHG nicht entsprechend anwendbar ist auf Jahresabschlüsse, die Zeiträume vor Auflösung der Gesellschaft oder vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens betreffen. Auf solche Zeiträume bezieht sich der hier gestellte Antrag nicht. Soweit der Senat im vorgenannten Beschluss darüber hinaus generelle Bedenken gegen die Anwendbarkeit von § 71 Abs. 3 GmbHG im Insolvenzverfahren geäußert hat, hält er diese nicht aufrecht.
2. Eine GmbH & Co. KG kann in entsprechender Anwendung von § 71 Abs. 3 GmbHG, § 270 Abs. 3 AktG von der Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts befreit werden.
Die Jahresabschlüsse einer GmbH und Co. KG unterliegen nach § 264a Abs. 1 HGB i.V.m. § 316 HGB der Pflicht zur Prüfung von Jahresabschluss und Lagebericht, soweit es sich nicht um eine kleine Gesellschaft i.S.d. § 267 Abs. 1 HGB handelt. Mit § 264a HGB wurde die sog. GmbH & Co-Richtlinie vom 8.11.1990 (90/605/EWG) in nationales Recht umgesetzt, die u.a. diese Gesellschaftsform in den Anwendungsbereich der für Kapitalgesellschaften geltenden Vorschriften einbezieht, insbesondere der Vierten Richtlinie über den Jahresabschluss (78/660/EWG). Mit § 264a HGB sollen die dort bezeichneten Personengesellschaften den Kapitalgesellschaften hinsichtlich der Abschlusspublizität gleichgestellt werden. Die Abschlusspublizität stellt den notwendigen Ausgleich für die Haftungsbeschränkung dar (Baumbach/Merkt § 264a Rz. 1; RegE KapCoRiLiG BT-Drucks. 14/1806, 17 f.). Die in § 264a HGB bezeichneten Personenhandelsgesellschaften sollen...