Leitsatz (amtlich)
Ein Mandatsträger handelt nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers ausschließlich im Rahmen von parlamentarischen Verhandlungsgegenständen "bei der Wahrnehmung seines Mandats"i.S.d. § 108e Abs. 1 StGB, nicht jedoch im Rahmen seiner sonstigen außerparlamentarischen Aufgaben.
Normenkette
StGB § 108e
Tenor
- Die Beschwerde des Beschuldigten G. N. gegen die Durchsuchungsbeschlüsse der Ermittlungsrichterin des Oberlandesgerichts München vom 3. Februar 2021 (Az.: OGs 11/21, OGs 12/21, OGs 13-14/21) und vom 10. Februar 2021 (Az.: OGs 30/21) wird als unbegründet verworfen.
Auf die Beschwerde des Beschuldigten G. N. wird der Beschluss der Ermittlungsrichterin des Oberlandesgerichts München vom 15. März 2021 (Az.: OGs 66/21), mit dem gemäß §§ 111e Abs. 1, 111j Abs. 1 StPO für den Freistaat Bayern ein Vermögensarrest in Höhe von 660.000,- € in das Vermögen des Beschwerdeführers angeordnet wurde, aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hinsichtlich der vier Durchsuchungsbeschlüsse hat der Beschwerdeführer zu tragen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hinsichtlich des Vermögensarrestbeschlusses und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers werden der Staatskasse auferlegt.
Gründe
Der Anfangsverdacht der Bestechlichkeit von Amtsträgern hat sich nach derzeitigem Ermittlungsstand nicht bestätigt. Denn der Beschwerdeführer handelte nicht "bei der Wahrnehmung seines Mandats"im Sinne des § 108e Abs. 1 StGB, soweit er sich aufgrund der getroffenen Unrechtsvereinbarung für die Interessen des Beschuldigten L. einsetzte.
1. Nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers handelt ein Mandatsträger ausschließlich im Rahmen von parlamentarischen Verhandlungsgegenständen "bei der Wahrnehmung des Mandats", nicht jedoch im Rahmen seiner sonstigen außerparlamentarischen Aufgaben.
a) In der Kommentarliteratur wird ganz überwiegend vertreten, dass außerparlamentarische Handlungen, in denen lediglich die Autorität als Mandatsträger oder dessen persönliche Kontakte genutzt werden, nicht unter das Merkmal "bei der Wahrnehmung des Mandats"fallen. Erfasst seien nach dem gesetzgeberischen Willen ausschließlich die Tätigkeiten in den Parlaments- und Fraktionsgremien, also solche im Rahmen der parlamentarischen Arbeit im Plenum, den Ausschüssen sowie den Arbeitskreisen und -gruppen der Parteifraktionen (vgl. Weiß in: Laufhütte u.a., StGB Leipziger Kommentar, 13. Aufl. 2021, § 108e StGB Rn. 8; H. E. Müller in Münchener Kommentar zum StGB, 4. Aufl. 2021, § 108e StGB Rn. 32, 34, jeweils m.w.N.). Hingegen stellt Fischer maßgeblich auf den Wortlaut ab. Die Einschränkung, wonach eine Handlung oder Unterlassung bei der Wahrnehmung des Mandats ausschließlich bei "parlamentarischen Verhandlungsgegenständen"vorliege, ergebe sich aus dem Wortlaut nicht, denn "Wahrnehmung des Mandats"liege dem Wortsinn nach ohne Zweifel auch dann vor, wenn ein Abgeordneter außerhalb seiner parlamentarischen "Zuständigkeit"die Nähe zu politischen Entscheidungsträgern nutzt, um "auftragsgemäß"fremde Interessen durchzusetzen (Fischer, StGB, 68. Aufl. 2021, § 108e StGB Rn. 27 f.).
b) Bei der Auslegung von (Straf-)Vorschriften dürfen sich die Gerichte nicht dem vom Gesetzgeber festgelegten Sinn und Zweck des Gesetzes entziehen, sondern müssen die gesetzgeberische Grundentscheidung respektieren. Eine Interpretation, die sich über den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers hinwegsetzt, greift unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein. Für die Beantwortung der Frage, welche Regelungskonzeption im Gesetz zugrunde liegt, kommt neben Wortlaut und Systematik den Gesetzesmaterialien eine nicht unerhebliche Indizwirkung zu. In Betracht zu ziehen sind hier die Begründung eines Gesetzentwurfs, der unverändert verabschiedet worden ist, die darauf bezogenen Stellungnahmen von Bundesrat und Bundesregierung und die Stellungnahmen, Beschlussempfehlungen und Berichte der Ausschüsse. Das Gesetz bezieht seine Geltungskraft aus der demokratischen Legitimation des Gesetzgebers, dessen artikulierter Wille den Inhalt des Gesetzes daher mitbestimmt. Jedenfalls darf der klar erkennbare Wille des Gesetzgebers nicht übergangen oder verfälscht werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Juni 2018 - 1 BvL 7/14 und 1 BvR 1375/14, NJW 2018, 2542, Rn. 73 ff.). Zumal bei zeitlich neuen und sachlich neuartigen Regelungen kommt den anhand des Gesetzgebungsverfahrens deutlich werdenden Regelungsabsichten des Gesetzgebers erhebliches Gewicht bei der Auslegung zu, sofern Wortlaut und Sinnzusammenhang der Norm Zweifel offenlassen. Über die erkennbare Regelungsabsicht darf die Auslegung in solcher Lage nicht hinweggehen. Dies gilt allerdings nur für die in dieser Regelung erkennbar ausgeprägten und in ihr angelegten Grundentscheidungen, Wertsetzungen und Regelungszwecke; konkrete Vorstellungen, die von Ausschüssen oder einzelnen Mitgliedern der gesetzgebenden Körperschaften über die ...