Leitsatz (amtlich)
Auch einem Berufsbetreuer, bei dem nach § 19 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes die auf die Vergütung anfallende Umsatzsteuer unerhoben bleibt, steht der Stundensatz nach § 4 Abs. 1 VBVG uneingeschränkt zu. Eine Kürzung um die Umsatzsteuer findet nicht statt.
Normenkette
BGB §§ 1836, 1908i Abs. 1 S. 1; VBVG § 4 Abs. 1-2
Verfahrensgang
LG Passau (Beschluss vom 22.12.2005; Aktenzeichen 1 T 263/05) |
AG Passau (Aktenzeichen 1-XVII 0063/05 Z) |
Tenor
I. Die Entscheidungen des LG Passau vom 22.12.2005 und des AG Passau vom 19.10.2005 werden aufgehoben.
II. Die Vergütung der Betreuerin aus der Staatskasse für die Tätigkeit in der Zeit vom 1.7.2005 bis 30.9.2005 wird auf 502,50 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Für den Betroffenen wurde am 5.11.2004 die Beschwerdeführerin als berufsmäßige Betreuerin bestellt mit den Aufgabenkreisen Aufenthaltsbestimmung und Entscheidung über die Unterbringung; Gesundheitsfürsorge; Vermögenssorge; Vertretung ggü. Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern. Mit Beschluss des AG vom 2.1.2006 wurde der Aufgabenkreis beschränkt auf Gesundheitsfürsorge und Entscheidung über die Unterbringung und der am 9.12.2004 angeordnete Einwilligungsvorbehalt bezüglich der Vermögenssorge aufgehoben.
Mit Schreiben vom 14.10.2005 beantragte die Betreuerin eine Vergütung aus der Staatskasse für den Zeitraum vom 1.7.2005 bis 30.9.2005 i.H.v. 502,50 EUR. Dabei ging sie davon aus, dass der mittellose Betreute seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Heim hatte. Mit Beschluss des AG vom 19.10.2005 wurde die Vergütung auf 433,20 EUR festgesetzt und der darüber hinausgehende Antrag zurückgewiesen. Da die Betreuerin nicht umsatzsteuerpflichtig sei, sei ihr nur der um die Steuer verminderte Stundensatz von 28,88 EUR statt 33,50 EUR zuzubilligen. Die zugelassene sofortige Beschwerde der Betreuerin wurde mit Beschluss des LG vom 22.12.2005 unter Zulassung der sofortigen weiteren Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Betreuerin, die eine ungekürzte Betreuervergütung erstrebt.
II. Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg.
1. Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig. Sie wurde vom LG ausdrücklich zugelassen (§ 56g Abs. 5 S. 2 FGG).
Das Schreiben vom 11.1.2006 an das LG wahrte zwar nicht die Form gem. § 29 Abs. 1 S. 2 FGG, weil es nicht von einem Rechtsanwalt unterzeichnet war. Die formgerechte Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde wurde jedoch zu Protokoll der Geschäftsstelle des AG am 30.1.2006 nachgeholt.
Zu diesem Zeitpunkt war die zweiwöchige Frist zur Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde gem. § 29 Abs. 2, § 56f Abs. 5 S. 1, § 22 Abs. 1 FGG bereits abgelaufen, da die Zustellung des landgerichtlichen Beschlusses bereits am 30.12.2005 erfolgt war. Der Betreuerin konnte jedoch gem. § 29 Abs. 4, § 22 Abs. 2 S. 1 FGG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erteilt werden. Sie hat glaubhaft dargetan, dass sie ohne ihr Verschulden gehindert war, die Frist für die Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde einzuhalten, weil sie vom LG über die Formerfordernisse nicht belehrt worden war.
2. Die sofortige weitere Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
a) Das LG hat seine Entscheidung folgendermaßen begründet:
Nach § 4 Abs. 2 VBVG würden die Stundensätze i.H.v. (hier) 33,50 EUR "auch Ansprüche auf Ersatz anlässlich der Betreuung entstandener Aufwendungen sowie anfallende Umsatzsteuer" abgelten. Aus dem Wortlaut folge somit, dass nur "anfallende Umsatzsteuer" pauschal abgegolten werde; somit sei eine Umsatzsteuer, die - wie bei der Beschwerdeführerin - gar nicht anfalle, abzuziehen. Diese Auslegung entspreche auch dem Gesetzeszweck. Mit dem 2. Betreuungsrechtsänderungsgesetz habe man die ursprüngliche Vergütung von 23 EUR um ca. 9 % erhöht, die Auslagenpauschale mit 3 EUR je Stunde angesetzt und dazu die Mehrwertsteuer von 16 % geschlagen, woraus sich dann ein Stundensatz von jetzt 33,50 EUR ergebe. Zweck des Gesetzes sei es gewesen, Kosten für den Staat zu sparen. Würde man einem Betreuer, der selbst nicht mehrwertsteuerpflichtig sei, gleichwohl die Mehrwertsteuer zubilligen, dann würde dies zu einer Erhöhung der Vergütung um rund 30 % führen.
b) Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).
aa) Nach § 4 Abs. 1 VBVG beträgt die dem Betreuer nach § 1 Abs. 2 VBVG zu bewilligende Vergütung für jede nach § 5 anzusetzende Stunde 27 EUR. Verfügt der Betreuer über besondere Kenntnisse, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind, so erhöht sich der Stundensatz auf 33,50 EUR, wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Lehre oder eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 VBVG). Die Stundensätze nach Abs. 1 gelten auch Ansprüche auf Ersatz anlässlich der Betreuung entstandener Aufwendungen sowie anfallende Umsatzsteuer ab (§ 4 Abs. 2 S. 1 VBVG).
bb) Ob der Stundensatz aus § 4 Abs. 1 VBVG bei nicht mehrwertsteuerpflichtigen Betreuern um die Umsatzsteuer zu kürzen ist, ist umstritten (für ein...