Entscheidungsstichwort (Thema)
Verlangen der Einberufung einer außerordentlichen Delegiertenversammlung bei derzeitiger COVID-19-Pandemie
Leitsatz (amtlich)
1. Das Verlangen der Einberufung einer außerordentlichen Delegiertenversammlung eines Vereins nach § 37 Abs. 1 BGB ist auch nicht unter der Annahme rechtsmissbräuchlich, dass die Abhaltung der Versammlung aufgrund der derzeitigen COVID-19-Pandemie und der daraus resultierenden behördlichen Einschränkungen als Präsenzveranstaltung möglicherweise nicht oder nur eingeschränkt gestattet ist.
2. § 5 Abs. 2 und Abs. 3 COVMG sehen Abweichungen von den Regelungen des § 32 BGB vor, so dass grundsätzlich auch die Möglichkeit einer virtuellen Delegiertenversammlung besteht.
3. Die Festlegung von Versammlungsort und -zeit sowie der weiteren Modalitäten der Versammlung obliegt grundsätzlich dem jeweiligen Einberufungsorgan.
Normenkette
AktG § 122 Abs. 3 S. 5; BGB §§ 32, 37 Abs. 1; COVMG § 5
Tenor
1. Auf die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts München - Registergericht - vom 09. September 2020 wird Ziffer I. des Beschlusses dahingehend abgeändert, dass die Beteiligten zu 2 bis 13 ermächtigt werden, eine Delegiertenversammlung des Vereins einzuberufen.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
3. Der Beschwerdeführer hat die notwendigen außergerichtlichen Auslagen der Beteiligten zu 2 bis 13 im Beschwerdeverfahren zu tragen.
4. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Beteiligte zu 1, ein Rassehunde-Zuchtverein, ist im Vereinsregister eingetragen.
Gemäß § 4 II) 1. der Satzung des Vereins besteht dessen Präsidium aus dem 1., 2. und 3. Präsidenten, dem Hauptzuchtwart, dem Obmann der Richtervereinigung, dem Obmann für Ausbildung und Leistung und dem Schriftleiter. Gemäß § 4 III) der Satzung besteht ein erweiterter Vorstand, dem neben den Mitgliedern des Präsidiums die 1. Vorsitzenden der Landesgruppen angehören.
Gemäß § 4 IV) 8. der Satzung ist eine außerordentliche Delegierten- bzw. Mitgliederversammlung u.a. dann einzuberufen, wenn es von zwei Dritteln des Präsidiums oder zwei Dritteln des erweiterten Vorstands verlangt wird. Der Beteiligte zu 2 ist der derzeitige Obmann für Ausbildung und Leistung, der Beteiligte zu 13 war Hauptzuchtwart und wurde zwischenzeitlich vom Ehrenrat des Vereins seines Amtes enthoben. Die Beteiligten zu 3 bis 12 sind Vorsitzende von Landesgruppen des Vereins, der Beteiligte zu 14 ist der 2. Vorsitzende einer Landesgruppe.
Mit Schreiben vom 11.05.2020 beantragte der Beteiligte zu 2 beim Amtsgericht, ihn zur Einberufung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung zu ermächtigen und ihn zum Versammlungsleiter zu ernennen. Dem Antrag beigefügt war ein an den Vorstand des Vereins gerichtetes Einberufungsverlangen vom 17.04.2020, in dem dieser aufgefordert wurde, eine außerordentliche Mitgliederversammlung mit aufgeführten Tagesordnungspunkten einzuberufen. Das Einberufungsverlangen beruhte auf beigefügten gleichlautenden Anträgen der Beteiligten zu 2 bis 14. Als Tagesordnungspunkte für die Versammlung war die Abwahl des 1. und 2. Präsidenten sowie der Ehrenräte des Vereins, eine Entscheidung über einen Beschluss des Ehrenrats vom 12.02.2020, sowie Ergänzungswahlen für die Ämter des 1., 2. und 3.
Präsidenten, des Schriftführers und des Ehrenrats angegeben. Zur Begründung wurde ein erheblich erschüttertes Vertrauensverhältnis zum 1. und 2. Präsidenten aufgrund der finanziellen Situation des Vereins und deren Umgang damit sowie Vergehen gegen das Tierschutzgesetz und diverse Zuchtvergehen angegeben. Der Ehrenrat habe Entscheidungen, die in seiner Zuständigkeit lagen, von anderen Personen treffen lassen und habe seine Entscheidungen getroffen, ohne Erforderlichkeit, Zweckmäßigkeit, Geeignetheit, Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit abzuwägen.
Auf Hinweis des Amtsgerichts wurden die Beteiligten zu 2 bis 14 als Antragsteller benannt und deren Vollmachten vorgelegt. Ferner wurde beantragt, einen neutralen Versammlungsleiter zu bestimmen und insoweit Herr F.J. vorgeschlagen.
Der Beteiligte zu 1 hat gegenüber den Antragstellern den Antrag auf Einberufung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung abgelehnt. Gegen den Antrag vom 11.05.2020 wandte sich der Beteiligte zu 1 insbesondere mit dem Einwand, dass das satzungsmäßige Quorum nicht erreicht sei. Für die Berechnung des Quorums sei nicht die Zahl der tatsächlich gerade amtierenden Mitglieder des Präsidiums und des erweiterten Vorstands maßgebend, sondern die satzungsgemäße Zahl. Bei 7 Präsidiumsmitgliedern und 14 Landesgruppenvorsitzenden bestehe der erweiterte Vorstand aus 21 Personen. Der Beteiligte zu 14, der sich auf sein Antragsrecht als Vorsitzender der Landesgruppe W. berufe, habe keinen Nachweis einer ordnungsgemäßen Wahl geliefert und könne daher für das Quorum nicht mitgerechnet werden. Die geforderten Tagesordnungspunkte seien ferner weitgehend unzulässig, der Antrag sei auch missbräuchlich. Eine Präsenzveranstaltung sei aufgrund ...