Leitsatz (amtlich)
Dem Angeklagten sind die notwendigen Auslagen des Nebenklägers im Berufungsverfahren nicht gemäß § 473 Abs. 1 S. 2 StPO aufzuerlegen, wenn sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft die von ihnen gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegte Berufung zurück genommen haben und der Nebenkläger lediglich hinsichtlich des der Berufung der Staatsanwaltschaft zugrundeliegenden Deliktes, nicht aber hinsichtlich der der Berufung des Angeklagten zugrundeliegenden Tat zum Anschluss als Nebenkläger gemäß § 395 StPO befugt war.
Verfahrensgang
LG Deggendorf (Entscheidung vom 08.08.2016; Aktenzeichen 2 Ns 2 Js 8233/15) |
AG Deggendorf (Entscheidung vom 03.12.2015) |
Tenor
I.
Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten wird der Beschluss des Landgerichts Deggendorf vom 8.8.2016 in Satz 1 aufgehoben und wie folgt neu gefasst:
Der Angeklagte trägt die Kosten der von ihm eingelegten und wieder zurückgenommenen Berufung (§ 473 Abs.1 StPO).
II.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Staatskasse.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Deggendorf hat den Angeklagten mit Urteil vom 3.12.2015 wegen Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 50 € verurteilt und ihn im Übrigen hinsichtlich einer tatmehrheitlich angeklagten versuchten gefährlichen Körperverletzung freigesprochen.
Gegen dieses Urteil haben sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt, die in der Folge jeweils wieder zurückgenommen worden sind.
Das Landgericht Deggendorf erließ daraufhin am 8.8.2016 folgenden Beschluss:
Der Angeklagte trägt die Kosten der von ihm eingelegten und wieder zurückgenommenen Berufung und der dem Nebenkläger im Berufungsverfahren erwachsenen notwendigen Auslagen (§ 473 Abs. 1 StPO). Die Staatskasse trägt die Kosten der von der Staatsanwaltschaft eingelegten und wieder zurückgenommenen Berufung, einschließlich der insoweit dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen (§ 473 Abs. 1,2 StPO).
Gegen die in Satz 1 des Beschlusses ihm auferlegte Verpflichtung, die dem Nebenkläger im Berufungsverfahren erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen, wandte sich der Angeklagte mit am 11.8.2016 eingegangener sofortiger Beschwerde vom 9.8.2016. Der Angeklagte macht geltend, Berufung gegen das Urteil eingelegt zu haben, soweit er wegen Sachbeschädigung verurteilt worden sei. Sachbeschädigung sei jedoch ein nicht nebenklagefähiges Delikt, weshalb der Angeklagte dem Nebenkläger, der sich dem Verfahren wegen des Vorwurfs der versuchten gefährlichen Körperverletzung angeschlossen hatte, auch keine Kosten im Berufungsverfahren zu erstatten habe.
Die Generalstaatsanwaltschaft München beantragte mit Schriftsatz vom 22.9.2016, die sofortige Beschwerde des Verurteilten kostenfällig als unbegründet zu verwerfen. Die Berufung des Angeklagten sei unbeschränkt erfolgt, weshalb ein ausnahmsweises Absehen vom Auferlegen der Kosten des Nebenklägers nicht in Betracht kommen könne.
Der Vertreter des Nebenklägers, Rechtsanwalt Wxxx hat mit Schriftsatz vom 20.10.2016 Stellung genommen und beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen, da vom Regelfall des § 473 Abs. 1 S. 2 StPO bei der Kostenentscheidung auszugehen sei.
II.
Die gemäß § 464 Abs. 3 in Verbindung mit § 311 Abs. 2 StPO zulässige sofortige Beschwerde des Angeklagten ist begründet.
1.) Entsprechend dem Grundsatz der getrennten Kosten- und Auslagenentscheidung sind Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten kostenrechtlich getrennt zu behandeln (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt StPO 59. Aufl. § 473 Rdn. 18).
2.) Zutreffend hat die Strafkammer hinsichtlich der Berufungsrücknahme durch die Staatsanwaltschaft bei der Kostenentscheidung beachtet, dass der Nebenkläger insoweit seine Auslagen selbst zu tragen hat (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt aaO § 473 Rdn. 11).
3.) Im Fall der Berufungsrücknahme durch den Angeklagten gilt nach § 473 Absatz 1 S. 2 StPO, dass der Angeklagte die dem Nebenkläger durch die Berufungsrücknahme in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h StPO erwachsenen notwendigen Auslagen zu erstatten hat.
Da das Amtsgericht Deggendorf den Angeklagten vom Vorwurf der versuchten gefährlichen Körperverletzung freigesprochen hat, richtete sich die Berufung des Angeklagten ausschließlich gegen die Verurteilung wegen Sachbeschädigung. Bei bloßer Sachbeschädigung als Tatvorwurf besteht keine Nebenklagebefugnis gemäß § 395 StPO, weshalb das vom Angeklagten mit der Berufung betriebene Verfahren dem Nebenkläger keine Befugnisse im Sinne von § 406 h StPO gewährt hat. Dies hat zur Folge, dass der Nebenkläger nach Rücknahme der Berufung durch den Angeklagten keinen Anspruch auf Erstattung seiner Auslagen im Berufungsverfahren geltend machen kann (siehe auch den ähnlich gelagerten Fall im Beschluss des OLG Celle vom 25.4.1990, 1 Ws 75/90, zitiert nach [...], bei dem die Berufung des Angeklagten infolge zulässiger Berufungsbeschränkung kein Katalogdelikt im Sinne des § 395 StPO mehr umfasst hat).
III.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt bei...