Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Keine Treuwidrigkeit, Teilurteil, Rechtsschutzinteresse, Vollmachtsmangel, Klage und Widerklage, Nachweis einer Vollmacht, Fehlende Vollmacht, Vollmachtsrüge, Rechtsgeschäftliche Vollmacht, Vollmachtsurkunde, Vollmachtsvorlage, Zwischenfeststellungsklage, Einseitiges Rechtsgeschäft, Streitwertfestsetzung, Kündigungserklärung, Kündigungsandrohung, Hilfsweise ordentliche Kündigung, Kündigungsschreiben
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 28.07.2020; Aktenzeichen 2 O 16039/18) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des Landgerichts München I vom 28.07.2020, Az. 2 O 16039/18, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 4.377.178,40 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Im Zusammenhang mit dem Ausbau des Glasfasernetzes beauftragte die Beklagte vertreten durch die ... im September 2016 die Klägerin, auf einer Strecke von knapp 80 km entlang der BAB A 3 eine LWL-Kabelschutzanlage in den Boden einzubauen. Dazu wurde die Anwendung eines Pflugverfahrens vereinbart.
Im Oktober 2016 begann die Klägerin mit den Pflugarbeiten zur Herstellung des Kabelgrabens.
Durch Schreiben vom 03.08.2017 kündigte die ... außerordentlich, weil die Klägerin nach einer Auseinandersetzung über die vertragsgerechte Pflugmethode und andere Mängel eigenmächtig ihre Arbeiten vollständig eingestellt habe. Das Schreiben war unterzeichnet von Frau "... Ltd. ..." (Anlage K 19). Da keine Vollmacht beigefügt war, ließ die Klägerin durch Schreiben vom 04.08.2017 die Kündigung zurückweisen (Anlage K 20). Dies wiederum wies die ... durch Schreiben von Frau ... vom 07.08.2017 zurück, da eine Vollmachtsvorlage schon mit Rücksicht auf den im Internet eingestellten Organisationsplan nicht erforderlich sei (Anlagen K 21 und K 22). In diesem Vorgehen sah die Klägerin einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung ihrerseits, die sie durch Schreiben vom 21.08.2017 aussprach (Anlage K 23). Diese Kündigung wies die ... durch Schreiben vom 29.08.2017 zurück (Anlage K 24).
Die Klägerin fordert mit ihrer Klage Restwerklohn und Schadensersatz von rund 4,5 Mio. EUR.
Widerklagend begehrte die Beklagte Feststellung der wirksamen Beendigung des Vertragsverhältnisses durch Schreiben vom 03.08.2017 als außerordentliche Kündigung, hilfsweise ordentliche Kündigung.
Das Landgericht hat durch Teilurteil die Widerklage abgewiesen. Die Zurückweisung der außerordentlichen Kündigung sei wegen fehlender Vollmachtsbeifügung wirksam gewesen. Dem Hilfsantrag fehle das Rechtsschutzinteresse.
Hinsichtlich der weiteren Feststellungen wird Bezug genommen auf den Tatbestand des angefochtenen Teilurteils des Landgerichts München I vom 28.07.2020, Az.: 2 O 16039/18, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
Mit der Berufung verfolgt die Beklagte die Widerklageanträge weiter. Parallel dazu hat sie in erster Instanz ihre Widerklage erweitert auf den Ersatz von Fertigstellungsmehrkosten und Mangelbeseitigungskosten von rund 4,6 Mio. EUR.
Die Beklagte führt aus, Frau ... sei auf Grund der Geschäftsordnung der ... als Leiterin der Rechtsabteilung für die Kündigungserklärung zeichnungsberechtigt gewesen. Zu einer Zurückweisung der Kündigung wegen fehlender Vollmachtsvorlage nach § 174 Satz 1 BGB sei die Klägerin nicht berechtigt gewesen. Diese Vorschrift sei auf das hier delegierte organschaftliche Vertretungsrecht nicht anwendbar. Dieses sei nach außen ausreichend durch das Organigramm der ... im Internet bekannt gemacht. Mindestens sei die Berufung auf die Zurückweisung treuwidrig, weil in den Monaten zuvor die anwaltlich vertretene Klägerin diverse Mängelrügen der Rechtsabteilung der ..., zum Teil mit Fristsetzungen und Kündigungsandrohungen, inhaltlich beantwortet habe und nie die Vollmacht bezweifelt habe und auch die eigene Kündigung nicht auf den Vollmachtsmangel gestützt habe. Insbesondere die eigenmächtige Räumung der Baustelle und die Einstellung der Arbeit führe zu einem wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung. Auch hätte die Beklagte ein Rechtsschutzinteresse an der hilfsweise beantragten Feststellung der Wirksamkeit der freien Kündigung.
Die Klägerin tritt dem entgegen. Die Berufung gegen ein Zwischenurteil sei nicht statthaft. Unstreitig sei die Vertragsbeendigung erfolgt und habe Frau ... intern die Befugnis zur Kündigung besessen. Die Zurückweisung der Kündigung wegen der fehlenden Vollmachtsvorlage sei dennoch berechtigt gewesen. Sie sei nicht organschaftliche Vertreterin des Präsidenten der ... gewesen, anderenfalls wäre im Organigramm hinter ihrem Namen ein Sternchen angebracht gewesen. Folglich gehe es um eine rechtsgeschäftliche Vollmacht, die genau unter den Schutzzweck des § 174 BGB falle. Im ...