Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen eine private Krankenversicherung die Vorlage einer Kopie aus der Patientenkartei des behandelnden Arztes fordern kann.
Verfahrensgang
LG Kempten (Urteil vom 07.11.2011; Aktenzeichen 33 O 2313/10) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Kempten (Allgäu) vom 7.11.2011 - 33 O 2313/10, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziff. 1 genannte Urteil des LG Kempten (Allgäu) ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Der Kläger begehrt mit seiner Zahlungsklage von der Beklagten Leistungen aus einer privaten Krankheitskostenzusatzversicherung.
Die Parteien streiten in diesem Zusammenhang um den Umfang der Auskunftspflicht des Klägers, insbesondere die Frage, ob der Kläger verpflichtet ist, der Beklagten Kopien seines Patientenblattes aus der behandelnden Arztpraxis beginnend ab ca. 1 Jahr vor Abschluss des Versicherungsvertrags vorzulegen.
Das Erstgericht hat die Klage abgewiesen, da der Anspruch des Klägers mangels Erfüllung seiner vertraglichen Auskunftspflicht derzeit nicht fällig und daher nicht durchsetzbar sei.
Der Kläger sei nach den Vertragsbedingungen zu der - bisher verweigerten - Herausgabe seines Patientenblattes beim behandelnden Arzt verpflichtet.
Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird zunächst auf das Endurteil des LG Kempten vom 7.11.2011 (Bl. 54/57 d.A.) Bezug genommen.
Ergänzend wurde im Berufungsverfahren festgestellt, dass die behandelnden Ärzte des Klägers konkrete Fragen der Beklagten mit Schreiben vom 21.10.2009 und 19.2.2010 beantwortet haben (Klägeranlagen Berufung sowie Anlagen BB 3 und BB 4).
Der Kläger rügt mit seiner Berufung die Verletzung materiellen Rechts.
Nach dem eindeutigen Wortlaut des von der Beklagten für ihre Auffassung in Anspruch genommenen § 9 Abs. 2 der vertragsgegenständlichen Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten (künftig: AVB; Anlage K 3) schulde der Kläger nicht die Vorlage eines Patientenblattes, sondern lediglich Auskunft auf konkrete Fragen.
Eine entsprechende ergänzende Auslegung der allgemeinen Versicherungsbedingungen sei nicht möglich, da hierdurch gegen das Transparenzgebot verstoßen würde.
Die Beklagte habe über die behandelnden Ärzte des Klägers alle erforderlichen Informationen erhalten und nie konkret dargelegt, welche Informationen noch benötigt würden.
Die Versicherung habe kein Recht auf pauschale Ermittlungen.
Eine Verpflichtung zur Herausgabe des Patientenblatts des Klägers würde sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung und Datenschutz verletzen.
Dieses enthalte auch Aufzeichnungen über personenbezogene Daten ohne Zusammenhang mit dem Krankheitsfall und darüber hinaus der ärztlichen Schweigepflicht unterliegende höchstpersönliche und intime Aufzeichnungen z.B. über einen Schwächeanfall des Klägers anlässlich eines Behandlungstermins.
Der Kläger sei insoweit nicht bereit, seine Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden.
Auch aus § 6 AVB ergebe sich, dass die im Eigentum des Arztes stehende Patientenkartei nicht Teil der Auskunftsverpflichtung sei.
Die Klage sei begründet. Die Beklagte habe die Notwendigkeit der Zahnbehandlung, die Angemessenheit der durchgeführten Maßnahmen und der hierfür angefallenen Kosten sowie die Höhe des sich hieraus für die Beklagte ergebenden Zahlungsbetrags nicht bestritten.
Im Übrigen habe der Kläger den erforderlichen Nachweis für die Leistungspflicht der Beklagten bereits erbracht.
Der Kläger beantragt,
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des LG Kempten zu Az. 33 O 2313/10 vom 7.11.2011 aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 14.782,91 nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozent-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung und verteidigt das Ersturteil.
Das LG Kempten habe zutreffend entschieden, dass die Beklagte aufgrund der Auskunftspflichtverletzung des Klägers derzeit von ihrer Leistungspflicht befreit sei.
Der Umstand, dass die den Kläger (seit 6.12.2007) behandelnden Ärzte angeblich 4,5 Monate nach Antragstellung auf ergänzenden Krankenversicherungsschutz und vor Ablauf der besonderen Wartezeit erst am14.4.2009 die streitgegenständliche Behandlungsbedürftigkeit festgestellt haben wollen, erscheine äußerst zweifelhaft. Aufgrund des erheblichen Behandlungsumfangs sowie der Tatsache, dass sich das Gebiss des Klägers bereits am 14.4.2009 in einem außerordentlich schlechten Zustand befunden habe, müssten die streitgegenständlichen Zähne bereits vor Antragstellung auf ergänzenden Krankenversicherungsschutz behandlungsbedürftig gewesen sein, was sich nur anhand des in der Patientenkartei dokumentierten Behandlungsverlaufs feststellen lasse.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze und übergebenen Anlagen Bezug genommen.
In der mündlichen Verhandlung vom 19.7.2012 wurde im H...