Normenkette
ProdHaftG §§ 1, 3, 8, 15; SGB X § 116; ZPO §§ 139, 531 Abs. 2, § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 1; AMG § 2 Abs. 3 Nr. 7, § 84; BGB §§ 459, 462
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten werden das Endurteil des LG München I vom 1.12.2008, berichtigt durch Beschluss vom 18.2.2009, und das Verfahren aufgehoben und die Sache an das LG München I zurückverwiesen.
II. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
III. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin macht gegen die Beklagte aus übergegangenem Recht Schadensersatzansprüche aufgrund des Produkthaftungsgesetzes geltend.
Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.
Mit Endurteil vom 1.12.2008, berichtigt durch Beschluss vom 18.2.2009, verurteilte das LG München I die Beklagte, an die Klägerin 6.835,90 EUR nebst Zinsen hieraus von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28.9.2006 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltsangebühren i.H.v. 603,93 EUR nebst Zinsen hieraus von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 10.6.2008 zu zahlen.
Zur Begründung führte das LG im Wesentlichen aus: Die Klägerin könne von der Beklagten die Erstattung der Operationskosten für den Austausch des Herzschrittmachers gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 8 Satz 1 ProdHaftG, § 116 Abs. 1 SGB X verlangen. Die Klägerin sei aktivlegitimiert, da der Schadensersatzanspruch ihres Versicherungsnehmers auf sie gem. § 116 Abs. 1 SGB X übergegangen sei. Als deutsche Vertriebsgesellschaft des amerikanischen Herstellers des Herzschrittmachers gelte die Beklagte gem. § 4 Abs. 2 ProdHaftG als Herstellerin. Der Herzschrittmacher sei ein Produkt i.S.v. § 2 ProdHaftG und weise einen Fehler i.S.v. § 3 ProdHaftG aus. Um fehlerfrei im Sinn des Produkthaftungsgesetzes zu sein, müsse das Produkt so beschaffen sein, dass es die körperliche Unversehrtheit des Benutzers nicht beeinträchtige. Objektiver Maßstab sei die berechtigte Sicherheitserwartung der Allgemeinheit hinsichtlich aller Umstände, Darbietung und Gebrauch zum Zeitpunkt des In-Verkehr-Bringens. Das Sicherheitsinformationsschreiben vom 23.6.2005 beziehe sich auf den Typ des streitgegenständlichen Herzschrittmachers. Unstreitig hätten zumindest die in der Sicherheitsinformation genannten 28 Herzschrittmacher gütegeminderte Drahtisolierkörper aufgewiesen. Dabei habe es sich jeweils um einen Fabrikationsfehler gehandelt, der während der Herstellung durch Verwendung gütegeminderter Teile entstanden sei und grundsätzlich nur Einzelstücken anhafte. Eine Abweichung des einzelnen Produkts von den Konstruktionsvorgaben des Herstellers stelle stets einen Fehler i.S.v. § 3 Abs. 1 ProdHaftG dar, unabhängig, ob es sich um einen Ausreißer oder um eine vermeidbare Abweichung handele. Nach den zur Sachmängelhaftung entwickelten Grundsätzen, die auf den streitgegenständlichen Sachverhalt übertragbar seien, könne für die Fehlerhaftigkeit auch schon der Verdacht eines qualitätsmindernden Mangels ausreichen. Vorliegend seien nicht nur die tatsächlich gütegeminderten Herzschrittmacher, sondern alle Herzschrittmacher der betroffenen Serie mit entsprechendem Herstellungsdatum fehlerhaft. Nach dem Vorbringen der Beklagten und dem Sicherheitsinformationsschreiben lasse sich nicht prognostizieren, ob ein bestimmtes Gerät tatsächlich versage, weshalb der Austausch den behandelnden Ärzten anheimgestellt worden sei. Aufgrund der im Sicherheitsinformationsschreiben getätigten Aussagen und des dort enthaltenen Hinweises auf einen Recall werde jeder verantwortungsbewusste Arzt zu dem Ergebnis kommen, dass Herzschrittmacher des streitgegenständlichen Typs auszutauschen seien, wenn nicht die besondere Disposition des jeweiligen Patienten einem solchen Austausch entgegenstehe. Ein Patient erwarte berechtigterweise, dass er keinen Herzschrittmacher eingesetzt bekomme, der aus einer Serie stamme, bei der zumindest teilweise gütegeminderte Teile verwendet worden seien, zumal sich unstreitig nicht prognostizieren lasse, ob es zu einem Versagen des Geräts kommen werde. Auch zum Zeitpunkt des erstmaligen In-Verkehr-Bringens des Herzschrittmachers sei es möglich gewesen, Herzschrittmacher ohne gütegeminderte Drahtisolierkörper herzustellen. Die im Sicherheitsinformationsschreiben vom 23.6.2005 enthaltenen Aussagen seien der Beklagten zuzurechnen, da sie im Namen der Beklagten bzw. unter ihrer vormaligen Firmierung, getätigt worden seien. Durch den von den behandelnden Ärzten für notwendig erachteten Austausch des streitgegenständlichen Herzschrittmachers und den damit verbundenen operativen Eingriff beim Versicherungsnehmer der Klägerin sei dieser an seiner Gesundheit bzw. an seinem Körper verletzt worden. Dem Versicherungsnehmer der Klägerin und damit ihr sei ein Schaden in Höhe der Operationskosten entstanden, die als Heilungskosten i.S.v. § 8 ...