Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenzverfahren, Anleger, Schadensersatzanspruch, Berufung, Anlageentscheidung, Pflichtverletzung, Aktien, Berichterstattung, Gesellschaft, Insolvenzantrag, Arzthaftung, Bank, Anspruch, KapMuG, einstweiligen Rechtsschutzes, Gelegenheit zur Stellungnahme, besondere Sachkunde
Nachgehend
Gründe
2. Hinweise gemäß § 139 ZPO:
Das vorliegende Verfahren bedarf nach Vorberatung des Senats der mündlichen Verhandlung, weil es nach vorläufiger Einschätzung des Senats - wohl ebenso wie zahlreiche Parallelverfahren - an mehreren erheblichen Rechts- und Verfahrensfehlern leiden dürfte, durch die eine sehr umfangreiche Beweisaufnahme in erster Instanz vermieden worden sein dürfte:
a) Die haftungsbegründende Kausalität zwischen den behaupteten Pflichtverletzungen der Beklagten bei den Abschlussprüfungen und dem behaupteten Schaden dürfte entgegen der Auffassung des Landgerichts wohl nicht verneint werden können:
(1) Zwar dürfte das Landgericht die konkrete Kausalität eines - ausdrücklich unterstellt - fehlerhaften Bestätigungsvermerks der Beklagten zumindest im vorliegenden Falle noch zutreffend verneint haben.
(a) Der BGH hat hierzu ausgeführt, dass die von ihm entwickelten Grundsätze über die Beeinflussung der Anlageentscheidung durch Prospektfehler unabhängig davon gelten, ob das Schadensersatzbegehren auf vertragliche oder deliktische Ansprüche gestützt wird. Denn es entspricht der Lebenserfahrung, dass ein Prospektfehler auch ohne Kenntnisnahme des Prospekts durch den Anleger für die Anlageentscheidung ursächlich wird, wenn der Prospekt entsprechend dem Vertriebskonzept der Fondsgesellschaft von den Anlagevermittlern als Arbeitsgrundlage verwendet wird. Dies gilt auch für die Haftung eines Wirtschaftsprüfers für unrichtige Bestätigungsvermerke, die in Prospekten Verwendung gefunden haben. Denn auch dann sind die im Prospekt abgedruckten Bestätigungsvermerke aufgrund der Verwendung des Prospekts entsprechend dem Vertriebskonzept durch Anlagevermittler auch Grundlage der Anlageentscheidung geworden (BGH vom 12.3.2020 - VII ZR 236/19, Rz. 39 ff.)
Die Annahme eines Anscheinsbeweises nach diesen Rechtsgrundsätzen würde somit voraussetzen, dass ein - unterstellt - unrichtiger Bestätigungsvermerk der Beklagten Grundlage der Anlageentscheidung der Klagepartei geworden ist - sei es durch eine darauf gestützte Anlageberatung oder -vermittlung, sei es durch eigene Nachforschungen.
(b) Das dürfte das Landgericht hier zutreffend verneint haben. Es hat festgestellt, dass die hiesige Klagepartei nicht prospektgestützt beraten wurde (LGU S. 12) und es konnte sich allein aufgrund der Ausführungen des gem. § 141 III ZPO bevollmächtigen Rechtsanwalts der Klagepartei, die nicht persönlich zu ihrer Anhörung erschienen ist, obwohl sie hierzu mit Verfügung vom 10.05.21 geladen worden war (Bl. 225 d.A.), nicht die erforderliche Überzeugung bilden, dass die hiesige Klagepartei vor dem Erwerb der Aktien einzelne Geschäftsberichte oder Bestätigungsvermerke angesehen hätte. Diese freie Beweiswürdigung (vgl. § 286 ZPO) erscheint auch dem Senat überzeugend - insbesondere, dass aus den Ausführungen eines Bevollmächtigten nicht auf die erforderliche Glaubwürdigkeit einer Partei geschlossen werden kann, versteht sich von selbst.
(2) Nicht haltbar sein dürfte dann aber schon, dass das Landgericht eine Kausalitätsvermutung wegen einer durch die - unterstellt - fehlerhaften Bestätigungsvermerke der Beklagten hervorgerufene positive Anlagestimmung ohne Weiteres verneint hat:
(a) Nach der Rspr. des BGH wird ein Kausalzusammenhang zwischen einem Unternehmensbericht und dem Kaufentschluss der Anleger vermutet, wenn die Aktien nach Veröffentlichung eines Unternehmensberichts erworben worden sind. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Anleger den Bericht gelesen oder gekannt hat. Ausschlaggebend ist, dass der Bericht die Einschätzung eines Wertpapiers in Fachkreisen mitbestimmt und damit eine Anlagestimmung erzeugt. Diese Stimmung kann der Erwerber für sich in Anspruch nehmen. Sie endet, wenn im Laufe der Zeit andere Faktoren für die Einschätzung des Wertpapiers bestimmend werden, etwa eine wesentliche Änderung des Börsenindex, der Konjunktureinschätzung oder aber neuere Unternehmensdaten wie etwa ein Jahresabschluss. Die Dauer der von einem Unternehmensbericht ausgehenden Anlagestimmung lässt sich danach nicht allgemeingültig festlegen; in aller Regel wird die Anlagestimmung aber spätestens ein Jahr nach Veröffentlichung des Unternehmensberichts nicht mehr bestehen (BGH, Urteil vom 14.07.1998 - XI ZR 173/97). Soweit das Gericht hierzu keine eigenen Sachkunde vorweisen kann, muss zu dieser Frage i.d.R. ein Sachverständigengutachten erholt werden (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 03.03.2008 - II ZR 310/06, Comroad VIII, Juris-Rz. 27).
(b) Nach vorläufiger Einschätzung des Senats dürften die hier als Anlagen K 10 vorgelegten uneingeschränkten Bestätigungsvermerke der Beklagten - ...