Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerruf eines Werkvertrages über Lieferung und Einbau einer Holztreppe
Leitsatz (amtlich)
1. Die Verbraucherrichtlinie - insoweit greifen die Grundsätze der Vollharmonisierung - hat im Vergleich zur früher geltenden Rechtslage den Verbraucherschutz erweitert und hierbei gerade darauf verzichtet, als Voraussetzung für ein Widerrufsrecht gemäß § 312g Abs. 1 BGB aufzunehmen, dass der Verbraucher zum Vertragsschluss bestimmt (§ 1 HTWG) wurde. (Rn. 16)
2. Der Verbraucher hat einen Anspruch auf eine schriftliche Widerrufsbelehrung mit einer klar formulierten Vorgabe, was den Mindestinhalt betrifft. Diese schriftliche Belehrung und die hiermit verbundene Bedenkzeit sichern die freie Entscheidung des Verbrauchers, sich vom Vertrag lösen zu können. Es kann deshalb nicht damit argumentiert werden, dass in der Zeichnung eines neuen und ersetzenden Angebots auf die Verbraucherrechte verzichtet wird, zumal von den Verbraucherschutzrechten nicht zum Nachteil des Verbrauchers abgewichen werden darf. (Rn. 23)
Normenkette
BGB §§ 242, 312, 312g Abs. 1, § 355 Abs. 3, § 631
Verfahrensgang
LG München II (Urteil vom 12.11.2020; Aktenzeichen 5 O 172/20 Bau) |
Nachgehend
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 12.11.2020, Az. 5 O 172/20 Bau, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Gründe
1. Urteil des Landgerichts
Das Landgericht verurteilte die Beklagte als Unternehmerin zur Rückzahlung des Werklohns für die Errichtung einer Treppe, da der maßgebliche Werkvertrag vom 23.8.2018 für den Kläger als Verbraucher wirksam widerrufen worden sei.
Der Kläger könne daher die Rückzahlung der bereits geleisteten Abschlagszahlungen in Höhe von knapp 16.000 Euro fordern. Da die Beklagte folglich keine Restvergütungsansprüche über knapp 4.000 Euro habe, wurde die hierauf gerichtete Widerklage abgewiesen.
2. Berufung der Beklagten
Die Beklagte verfolgt mit ihrer Berufung ihre erstinstanzlichen Ziele - Abweisung der Klage und Verurteilung zur Restwerklohnzahlung - weiter.
Die Beklagte argumentiert, man habe zuvor am Telefon einen Vertrag geschlossen, eine "Überrumpelungssituation" sei ausgeschlossen, der Vertrag sei bestätigt worden, wodurch das Widerrufsrecht entfallen sei. Im Übrigen sei das Vorgehen des Klägers treuwidrig.
Auf die Einzelheiten der Berufungsbegründung wird Bezug genommen.
3. Gegenwärtige Einschätzung des Senats
Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg.
Der Senat macht sich die sorgfältigen Erwägungen des Landgerichts zu eigen, wonach dem Kläger ein Widerrufsrecht zustand, dieses wirksam ausgeübt wurde und daher die bisher geleisteten Zahlungen zurückgefordert werden können; da der Vertrag widerrufen wurde, besteht kein Anspruch auf Restwerklohn.
Im Einzelnen:
a. Der Kläger kann gemäß § 355 Abs. 3 S. 1 BGB die geleistete Anzahlung über etwa 15.000 Euro zurückfordern.
(1) Zwischen den Parteien wurde am 23.8.2018 in der Wohnung des Klägers ein Werkvertrag über den Ausbau einer alten Treppe und den Einbau einer neuen geschlossen, mithin ein Vertrag im Sinne des § 312g Abs. 1 Nr. 1 BGB.
aa. Soweit die Beklagte vorbringt, es sei bereits zuvor telefonisch ein Vertrag zustande gekommen, folgt der Senat dem nicht.
Auf Veranlassung des Klägers erschien der Geschäftsführer mit einem schriftlichen Angebot 3, nahm das Aufmaß und der Kläger und der Geschäftsführer unterzeichneten das schriftliche Angebot. Wäre zuvor ein Vertrag zustande gekommen, hätte der Geschäftsführer bereits kein Angebot, sondern eine Bestätigung mitgebracht und eine Unterschrift wäre überflüssig gewesen.
Auch der Umstand, dass die Parteien in dem Angebot 3 handschriftliche Ergänzungen angebracht haben, zeigt, dass die Parteien sich zuvor vertraglich nicht gebunden hatten.
bb. Soweit die Beklagte rügt, eine "Überrumpelungssituation" habe nicht vorgelegen, folgt der Senat dem nicht.
Die Verbraucherrichtlinie - insoweit greifen die Grundsätze der Vollharmonisierung - hat im Vergleich zur früher geltenden Rechtslage den Verbraucherschutz erweitert und hierbei gerade darauf verzichtet, als Voraussetzung aufzunehmen, dass der Verbraucher zum Vertragsschluss bestimmt (§ 1 HTWG) wurde.
Zudem wurden bewusst Rechtsgeschäfte erfasst, bei denen die Veranlassung zum Vertragsschluss vom Verbraucher ausging. Auch wenn die Sinnhaftigkeit dieser Regelung teilweise angezweifelt wird, besteht Einigkeit, dass Wortlaut und Entstehungsgeschichte eindeutig sind.
cc. Soweit die Beklagte rügt, es sei im weiteren Verlauf ein ersetzender Vertrag geschlossen worden, folgt der Senat dem ni...