Leitsatz (amtlich)
1. Auf einen Erbfall eines im Jahre 1965 verstorbenen Erblassers mit ständigem Aufenthalt auf dem Gebiet der damaligen DDR ist das Erbrecht des BGB in der Fassung vom 18.08.1896 anzuwenden.
2. Eine Anwendung eines speziellen landwirtschaftlichen Anerbenrechts, z.B. nach einer Höfeordnung, war zur Zeit des Erbfalls auf dem Gebiet der DDR ausgeschlossen.
3. Im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge war die Erbquote des Ehegatten des Erblassers nicht durch einen pauschalierten Zugewinnausgleich i.S.v. § 1371 BGB n.F. zu korrigieren.
Verfahrensgang
AG Aschersleben (Beschluss vom 02.12.2021; Aktenzeichen 5 VI 658/65) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Nachlassgericht - Aschersleben vom 2. Dezember 2021 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
Der Kostenwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Der Erblasser war in erster, am 02.12.1935 geschiedener Ehe mit Else R. und in zweiter, bis zu seinem Lebensende fortbestehender Ehe mit Helena M. geb. P. verheiratet. Er hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt auf dem Gebiet der damaligen Deutschen Demokratischen Republik; seine Ehefrau Helena M. lebte mit den beiden ehelichen Kindern seit 1957 auf dem Gebiet der damaligen Bundesrepublik Deutschland. Der Erblasser hinterließ keine Verfügung von Todes wegen.
Das Staatliche Notariat Aschersleben erteilte am 04.01.1966 einen Erbschein, welcher die Tochter des Erblassers aus erster Ehe, Ruth M., sowie dessen zweite Ehefrau Helena M. geb. P. und die beiden Kinder aus dieser Ehe, Robert M. (den Antragsteller) und Ingeborg M., als Erben mit einem Anteil von jeweils einem Viertel auswies (Az.: 1 NR 658/65).
Am 14.04.2021 hat der Beteiligte die Einziehung dieses Erbscheins beantragt. Er hat zunächst die Auffassung vertreten, dass die Ehefrau des Erblassers Erbin zu einem Halb geworden sei, was sich auf die gleich großen Erbanteile der Kinder auswirke. Darüber hinaus sei Ruth M. nicht erbwürdig gewesen. Mit weiterem Schreiben vom 15.10.2021 hat der Beteiligte die Auffassung vertreten, dass das Erbe ihm allein als dem ältesten Sohn des Erblassers nach den speziellen Regelungen für Reichserbhöfe zustehe. Die Erteilung des Erbscheins vom 04.01.1966 beruhe letztlich auf Rechtsbeugung zur Ermöglichung eines Zwangsverkaufs des väterlichen Grundstücks. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt beider Schreiben nebst Anlagen Bezug genommen.
Das Nachlassgericht hat mit seinem Beschluss vom 02.12.2021 den Antrag auf Einziehung des vorgenannten Erbscheins kostenpflichtig zurückgewiesen. Es hat darauf verwiesen, dass die Bestimmung des § 1371 Abs. 1 BGB, welche mit dem Gleichberechtigungsgesetz 1957 in das auf dem Gebiet der damaligen Bundesrepublik Deutschland geltende Bürgerliche Gesetzbuch eingefügt worden sei, im Gebiet der damaligen Deutschen Demokratischen Republik nicht gegolten habe und auch nicht etwa im Rahmen der Vereinigung rückwirkend Gültigkeit erlangt habe (vgl. Art. 234 § 4 Abs. 1 EGBGB).
Gegen diese, ihm am 07.12.2021 zugestellte Entscheidung wendet sich der Beteiligte mit seiner am 21.12.2021 beim Nachlassgericht eingegangenen Beschwerde. Er rügt, dass bisher nicht geprüft worden sei, ob 1965 ein wirksamer Antrag auf Erteilung eines Erbscheins vorgelegen habe. Hieran bestünden Zweifel, weil die Nachlassregelung nur deswegen erforderlich gewesen sei, um einen von ihm verweigerten Grundstückstausch durchzuführen und einen Dritterwerb des zum Nachlass gehörenden Grundstücks zu ermöglichen. Er beruft sich auf eine Entscheidung des Familiengerichts des OLG Frankfurt (Main), aus der sich s.E. ergebe, dass die Vorschrift des § 1371 Abs. 1 BGB auf zwangsausgesiedelte ehemalige DDR-Bürger anzuwenden sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beschwerdeschrift Bezug genommen.
Das Nachlassgericht hat mit seinem Beschluss vom 05.01.2022 dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Naumburg zur Entscheidung vorgelegt.
B. I. Die Beschwerde ist nach § 58 Abs. 1 FamFG zulässig, insbesondere ist die nach § 61 Abs. 1 FamFG notwendige Mindestbeschwer überschritten. Die Beschwerdefrist des § 63 Abs. 1 FamFG ist gewahrt worden.
II. Das Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.
Nach § 2361 Satz 1 BGB ist ein bereits erteilter Erbschein einzuziehen, wenn das darin verbriefte Zeugnis über das Erbrecht inhaltlich unrichtig ist. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
1. Auf die vom Beteiligten aufgeworfene Frage, ob bei der Erteilung des Erbscheins durch das Staatliche Notariat Aschersleben ggf. Verfahrensfehler aufgetreten seien, kommt es für die vorliegende Entscheidung über die Einziehung des Erbscheins nicht an. Verfahrensfehler im Erteilungsverfahren gebieten bei einem inhaltlich richtigen Erbschein grundsätzlich nicht dessen Einziehung. Etwas Anderes gilt nur in gravierenden Fällen, z.B. bei internationaler Unzuständigkeit (vgl. Weidlich in: Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, ...