Leitsatz (amtlich)
1. Zur Entziehung des Pflichtteils wegen begangener schwerer Straftaten und verbüssten langjährigen Haftstrafen.
2. Verzeihung i.S.v. § 2337 BGB liegt vor, wenn der Erblasser durch sein Verhalten zum Ausdruck gebracht hat, dass er die durch den Pflichtteilsentziehungsgrund hervorgerufene Kränkung nicht mehr als solche empfindet und hieraus nichts mehr herleiten will. Hierzu reicht in der Regel aus, wenn in dem Verhältnis des Erblassers zu dem Abkömmling ein Wandel zur Normalität im Sinne eines Wiederauflebens der familiären Beziehungen stattgefunden hat. Verzeihung setzt dagegen weder eine Versöhnung noch ein inniges Verhältnis zwischen Erblasser und Abkömmling voraus.
3. Verzeihung bewirkt ein Erlöschen des Rechts zur Entziehung des Pflichtteils. Ein nachträglicher Sinneswandel des Erblassers kann dieses Recht nicht erneut begründen.
Normenkette
BGB §§ 2333, 2337
Verfahrensgang
LG Amberg (Urteil vom 05.09.2011; Aktenzeichen 22 O 129/11) |
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des LG Amberg vom 5.9.2011 - 22 O 129/11, gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.
Gründe
1. Der Kläger macht als einziger noch lebender Sohn (und somit gesetzlicher Alleinerbe) des am 18.6.2010 verstorbenen A ... (im Folgenden: Erblasser) Pflichtteilsansprüche geltend. Die Beklagte ist aufgrund notariellen Testaments vom 15.4.2010 (Anlage K1) Alleinerbin; in diesem Testament hat der Erblasser im Hinblick auf vom Kläger begangene Straftaten diesem den Pflichtteil entzogen. Zwischen den Parteien ist - neben Umfang und Wert des Nachlasses -streitig, ob Pflichtteilsentziehungsgründe vorlagen sowie ob das Recht zur Entziehung des Pflichtteils infolge Verzeihung des Erblassers erloschen ist.
Der Kläger begehrt im Wege der Stufenklage Auskunft über den Umfang des Nachlasses sowie Zahlung des sich hieraus ergebenden Pflichtteils (in Höhe des hälftigen Nachlasswertes); zugleich hat er im Wege der bezifferten Teilklage - ausgehend von einem Mindestwert des Nachlasses von 200.000 EUR - die Zahlung eines Mindestpflichtteils von 100.000 EUR beantragt.
Das LG Amberg hat nach Beweisaufnahme mit Teilurteil vom 5.9.2011 die Beklagte zur Zahlung von 99.750 EUR nebst Zinsen sowie - in erster Stufe der erhobenen Stufenklage - zur Erteilung von Auskunft über den Umfang und Wert des Nachlasses verurteilt.
Hiergegen wendet sich die Berufung der Beklagten, die ihr erstinstanzliches Klageabweisungsbegehren weiterverfolgt.
2. Die Berufung der Beklagten hat keine konkreten Umstände aufgezeigt, welche Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen landgerichtlichen Tatsachenfeststellungen begründen könnten (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Es ist deshalb von dem im angefochtenen Urteil dargelegten Sachverhalt auszugehen.
3. Die Berufung der Beklagten trägt auch sonst keine Umstände dafür vor, dass die erst- instanzliche Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht, diese also eine Abänderung des Ersturteils rechtfertigen würde (§§ 513 Abs. 1, 546 ZPO).
4. Soweit die Berufung rügt, das LG hätte nicht im Rahmen einer Teilklage entscheiden dürfen, ist dies aus prozessualen Gründen nicht zu beanstanden (zur materiellen Berechtigung der insoweit ausgesprochenen Zahlungsverpflichtung der Beklagten s. unten 7).
Insbesondere liegt kein unzulässiges Teilurteil i.S.d. §§ 307, 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 ZPO vor. Vielmehr handelt es sich um die zulässige Verbindung einer bezifferten Teilklage (Zahlungsantrag) mit einer unbezifferten Stufenklage. Macht der Kläger im Rahmen einer Stufenklage einen Mindestbetrag geltend, weil er die Klageforderung insofern beziffern und begründen zu können meint, ohne auf eine Auskunft des Beklagten angewiesen zu sein, liegt (nur) wegen des darüber hinausgehenden Klagebegehrens eine Stufenklage, im Übrigen eine zulässige bezifferte Teilklage vor (vgl. BGH, Urt. v. 25.9.2002 - XII ZR 55/00, NJW-RR 2003, 68).
5. Die Berufung wendet sich nicht gegen die Bewertung des LG, der Kläger sei als durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossener Abkömmling des Erblassers grundsätzlich pflichtteilsberechtigt. Dies entspricht auch der Regelung des § 2303 Abs. 1 Satz 1 BGB. Da der Kläger als einzig noch lebendes Kind des Erblassers im Falle gesetzlicher Erbfolge dessen Alleinerbe wäre (§§ 1923 Abs. 1, 1924 Abs. 1 BGB), steht dem Kläger grundsätzlich ein Pflichtteil in Höhe der Hälfte des Nachlasswertes zu, § 2303 Abs. 1 Satz 2 BGB.
6. Das LG hat offen gelassen, ob auf Seiten des Erblassers ein Recht zur Entziehung des Pflichtteils (§ 2333 BGB) bestand; jedenfalls sei ein Recht zur Entziehung de...