Leitsatz (amtlich)
Es stellt einen Instruktionsfehler dar, wenn der Hersteller eines Mountainbikes in der Bedienungsanleitung nicht auf die mangelnde Eignung für eine naheliegende Benutzung (hier: Stoppies, Wheelies, Slides, Treppenfahren etc.) hinweist, bei der es zu einem Rahmenbruch kommen kann.
Normenkette
ProdHaftG § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1b
Verfahrensgang
LG Weiden i.d.OPf. (Urteil vom 03.12.2013; Aktenzeichen 13 O 347/12) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Weiden i. d. OPf. vom 3.12.2013 - 13 O 347/12, geändert:
1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus Anlass des Sturzes des Klägers mit dem Mountainbike ... am ... 2012 in ..., zu ersetzen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von Anwaltskosten i.H.v. 661,16 EUR freizustellen und diesen Betrag an die Rechtsanwälte ... zu zahlen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Kläger zur Last.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 8.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der am ... 2000 geborene Kläger macht Ansprüche nach dem Produkthaftungsgesetz geltend, weil am ... 2012 gegen 20.00 Uhr der Rahmen des von der Beklagten hergestellten Mountainbikes beim Wiederaufsetzen des Vorderrades auf die Straße nach dem Fahren auf dem Hinterrad gebrochen ist und er sich beim Sturz Zahnverletzungen zugezogen hat.
Zur Darstellung des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des LG Weiden i. d. Opf. vom 3.12.2013 Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Das LG hat die Klage nach Erholung eines Sachverständigengutachtens abgewiesen, weil der Kläger nicht habe nachweisen können, dass ein Fehler im Sinne des Produkthaftungsgesetzes schadensursächlich gewesen sei. Der Sachverständige habe einen Materialfehler, Produktmangel, Montagemangel oder Ähnliches nicht festgestellt. Die Schweißverbindungen seien normgerecht ausgeführt worden, ein Herstellungsmangel sei nicht gefunden worden. Zur Überprüfung eines Konstruktionsmangels habe der Sachverständige nicht beauftragt werden können, weil der Kläger den Vorschuss von 50.000 EUR nicht eingezahlt habe. Ein Mangel könne nicht darin gesehen werden, dass das Mountainbike nicht die Sicherheit geboten habe, die unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere seiner Darbietung, berechtigterweise erwartet werden könne. Die gefundenen Abnutzungsspuren der Reifen deuteten darauf hin, dass mit dem Rad auch Kunststücke wie seitliche Slides gefahren worden seien.
Auch der Kammer sei bekannt, dass gerade jugendliche Personen mit ihren Mountainbikes wie beschrieben umgehen. Allein dadurch handele es sich aber nicht um den dargebotenen oder gewöhnlichen Gebrauch eines Mountainbikes. Bei verständiger Würdigung könne aber nicht davon ausgegangen werden, dass ein handelsübliches Mountainbike für einen Jugendlichen über einen langen Zeitraum hinweg so extrem beansprucht werden könne, ohne dass die Gefahr eines Rahmenbruchs bestehe. Radinteressierte wüssten, dass es dafür spezielle belastbarere Fahrräder gebe.
Mit der Berufung gegen das landgerichtliche Urteil verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Feststellungsantrag auf Ersatz aller materiellen und immateriellen Schäden aus dem Sturz vom 23.5.2012 und die Verurteilung der Beklagten zur Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 661,16 EUR und Zahlung an seine Prozessbevollmächtigten weiter.
Zur Begründung führt er aus, dass das LG verkannt habe, dass das Mountainbike einen Fehler i.S.d. § 3 Abs. 1 Produkthaftungsgesetz aufgewiesen habe, weil es nicht die Sicherheit geboten habe, die aufgrund seiner Darbietung und des Gebrauchs, mit dem billigerweise gerechnet werden konnte, zu erwarten sei. Der Kläger habe das Rad, so wie unter Jugendlichen üblich, genutzt. In der Bedienungsanleitung fehle jeglicher Hinweis zur Klassifizierung des Rades.
Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung und wiederholt und vertieft ihren Sachvortrag. Sie macht geltend, dass der Kläger nicht habe erwarten können, dass das streitgegenständliche Mountainbike für die vom Kläger eingeräumten Aktionen wie Treppenfahren, Stoppies, Wheelies und Slides geeignet sei, da es sich schon konstruktiv und nach seiner äußeren Gestaltung nicht um ein Dirt-Bike oder BMX-Fahrrad, die hierfür geeignet seien, handele.
Der Senat hat den Vater des minderjährigen Klägers im Termin vom 6.5.2014 persönlich angehört.
II. Die Berufung ist zulässig. Dem Kläger wurde mit Beschluss vom 12.2.2014 Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Berufungseinlegung bewilligt. Die im Übrigen formgerechte Berufung hat auch in der Sache Erfolg.
1. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der geltend gemachte Feststellungsantrag insgesamt zulässig. Der Kläger hat ein rechtliches Interesse an alsbaldiger Feststellung der Verantwortlichkeit der Beklagte...