Leitsatz (amtlich)
1. Hat das vorinstanzliche Gericht eine Klage nur aufgrund der vom Beklagten erklärten Hilfsaufrechnung abgewiesen und legt nur der Kläger ein Rechtsmittel ein, so ist dem Rechtsmittelgericht die erneute Überprüfung der Klageforderung verwehrt.
2. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote des Handelsvertreters unterfallen nicht § 90a HGB, wenn sie erst nach Vertragsbeendigung vereinbart werden oder in einer Vereinbarung über die Beendigung des Handelsvertretervertrags enthalten sind, welche den Vertrag mit sofortiger Wirkung beendet (vgl. BGH, Urt. v. 5.12.1968 - VII ZR 102/66, BGHZ 51, 184; Urt. v. 30.12.1970 - VII ZR 141/68, BGHZ 55, 124; Urt. v. 16.11.1972 - VII ZR 53/72, BGHZ 59, 387; BFH BFH/NV 2008, 1491). Im Rahmen einer typisierenden Betrachtungsweise ist hier eine Schutzbedürftigkeit des Handelsvertreters zu verneinen. Verfassungsrechtliche Gesichtspunkte, insbesondere die Berufsfreiheit (vgl. BVerfGE 81, 242 - Wettbewerbsverbot des Handelsvertreters) wie auch kritische Stimmen in Rechtsprechung und Literatur rechtfertigen keine Änderung dieser Rechtsprechung.
Normenkette
GG Art. 12 Abs. 1; HGB § 90a; ZPO § 528 S. 2
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 28.06.2010; Aktenzeichen 7 O 8775/09) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Vorbehaltsurteil des LG Nürnberg-Fürth vom. 28.6.2010 - 7 O 8775/09, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 20.000 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.9.2009 zu zahlen.
Dem Beklagten bleibt die Ausführung seiner Rechte vorbehalten.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 20.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Zwischen den Parteien bestand ein Handelsvertreterverhältnis. Die Klägerin macht im Urkundsverfahren einen aus einer Aufhebungsvereinbarung hinsichtlich dieses Handelsvertreterverhältnisses herrührenden Abfindungsanspruch geltend. Der Beklagte hat sich auf die Unwirksamkeit dieser Vereinbarung sowie hilfsweise auf die Aufrechnung mit einer - bestrittenen - Gegenforderung auf Zahlung einer Karenzentschädigung berufen.
Im Jahr 2001 wurde die (F. GmbH Kapitalanlagevermittlung und Finanzconsulting gegründet und im Handelsregister des AG Nürnberg unter HRB 18854 eingetragen; Geschäftsführer war Herr B. Der Beklagte war seit 2002 als selbständiger Handelsvertreter für diese Gesellschaft im Bereich der Vermittlung von Bank- und Versicherungsprodukten, Finanzierungen und Kapitalanlagen auf der Grundlage ejnes "Consultantvertrags" vom 4.3.2002 tätig.
Gemäß Gesellschafterbeschluss vom 21.11.2005, eingetragen im Handelsregister am 9.1.2006, firmierte die F. GmbH Kapitalanlagevermittlung und Finanzconsulting um in F. GmbH Kapitalanlagevermittlung und Finanzconsulting [diese Gesellschaft wird im Folgenden auch als "F. GmbH alt" bezeichnet].
Am 13.3.2006 kam es zum Abschluss eines "Managementvertrags" des Beklagten mit der F. GmbH alt als "Zusatzvertrag" zu dem zwischen den Vertragsparteien bestehenden "Consultantvertrag" (Anlagen K3, B12). Dieser Managementvertrag enthielt u.a. folgende Regelung:
"10. Laufzeit des Vertragsverhältnisses
Der Zusatzvertrag wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Die Kündigungsfrist des Managementverträges beträgt 3 Jahre zum Monatsende. Es wird vereinbart, dass ab Beginn des Zusatzvertrages für den Consultantvertrag dieselbe Laufzeit und Kündigungsfrist wie für den Zusatzvertrag gilt. Eine Kündigung des Consultantvertrages hat automatisch die Kündigung des Zusatzvertrages zur Folge, eine Kündigung des Zusatzvertrages jedoch nicht automatisch die Kündigung des Consultantvertrages ...."
Mit Gesellschaftsvertrag vom 18,12.2008 wurde die F. GmbH Strategie + Vermögen [die Klägerin, im Folgenden auch als "F. GmbH neu" bezeichnet] gegründet. Diese Gesellschaft wurde am 2.1.2009 im Handelsregister des AG Nürnberg unter HRB 24919 eingetragen. Geschäftsführer war [wie bei der F. GmbH alt] Herr B.
Mit Vereinbarung vom 1.2.2009 (Anlage K6) wurde zwischen den Parteien geregelt, dass die F. GmbH neu (die Klägerin) an Steile der F. GmbH alt in alle mit dem Beklagten geschlossenen Verträge eintritt, soweit diese nicht durch neue Verträge mit der Klägerin ersetzt wurden.
Ebenfalls am 1.2.2009 kam es zum Abschluss eines "Consultantvertrags" zwischen der F. GmbH neu und dem Beklagten (also zwischen den Parteien). In diesem Vertrag (Anlage B3) heißt es in der Präambel: "Die Vertragspartner geben dem zwischen ihnen seit 13.3.2007 bestehenden Consultantvertrag mit Wirkung vom 1.2.2009 die beigeheftete neue Fassung". In den nachfolgenden "Kooperationsbedingungen" ist geregelt, dass der Beklagte als sel...