Leitsatz (amtlich)
1. Zu den eigentumsrechtlichen Rechtsfolgen der Einnistung eines (Pferde-)Embryos in die Gebärmutterschleimhaut einer Leihstute.
2. Beim Embryonentransfer verliert der Embryo mit der Einnistung (Nidation) in die Gebärmutterschleimhaut der Leihstute die Sonderrechtsfähigkeit.
3. Für die Frage der Wesentlichkeit im Sinne des § 93 BGB kommt es nicht darauf an, ob der Bestandteil für die Funktion oder den Wert der Sache von Bedeutung ist.
4. Für § 947 Abs. 2 BGB stellt der Wert der Hauptsache im Verhältnis zur Nebensache kein entscheidendes Kriterium dar.
Verfahrensgang
LG Aurich (Urteil vom 20.03.2024; Aktenzeichen 3 O 762/23) |
Gründe
I. Der Senat beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem Hinweisbeschluss und Entscheidung über die Aufrechterhaltung der Berufung unter Kostengesichtspunkten binnen zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses.
II. Der Senat lässt sich bei seiner Absicht, nach § 522 Abs. 2 ZPO zu verfahren, von folgenden Überlegungen leiten: Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.
Die Berufung hat auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass dem Kläger, auch unter Zugrundelegung seines Tatsachenvortrags (für den aufgrund der vorgelegten Rechnung der EU-Besamungsstation G [GA LG 56] und des vorgelegten Embryonentransferprotokolls der Tierärztlichen Praxis H [GA LG 57] einiges spricht), kein Anspruch gemäß § 985 BGB auf Herausgabe des am 2. Juni 2023 geborenen braunen Hengstfohlens abstammend von dem Vaterhengst "J" aus einer "K" Mutter zusteht. Denn nicht der Kläger, sondern die Beklagte ist Eigentümerin des Hengstfohlens.
1. Allerdings führt der Kläger zutreffend aus, dass er zunächst Eigentümer des im Embryotransferprotokoll benannten Embryos war. Denn ein Tierembryo ist sonderrechtsfähig (vgl. dazu § 17 Abs. 3 TierZG; Merk, Tierzucht und Zivilrecht, 2013, S. 107).
2. Jedoch hat der Kläger das Eigentum an diesem Embryo mit der Nidation bzw. Einnistung - also in dem Zeitpunkt in dem sich das Embryo in der Gebärmutterschleimhaut festgesetzt hat - gemäß § 93, § 947 Abs. 2 BGB verloren. Nach § 93 BGB können Bestandteile einer Sache, die voneinander nicht getrennt werden können, ohne dass der eine oder andere zerstört oder in seinem Wesen verändert wird, nicht Gegenstand besonderer Rechte sein. Im Zeitpunkt der Nidation wurde der Embryo wesentlicher Bestandteil der Leihstute L. Ohne die Versorgung durch die (Leih-)Mutter sind Embryonen ab diesem Stadium nicht mehr überlebensfähig und werden bei Trennung von der Mutter zerstört (vgl. Merk, aaO, S. 107). Indem der Embryo wesentlicher Bestandteil der Leihstute L wurde erwarb die Eigentümerin der Leihstute L, also zunächst die M GbR, gemäß § 947 Abs. 2 BGB das Alleineigentum an der Leihstute nebst eingenistetem Embryo. Denn wenn bewegliche Sachen miteinander dergestalt verbunden werden, dass sie wesentliche Bestandteile einer einheitlichen Sache werden, erwirbt, wenn eine der Sachen als Hauptsache anzusehen ist, ihr Eigentümer das Alleineigentum. Die Leihstute ist vorliegend als Hauptsache gemäß § 947 Abs. 2 BGB anzusehen. Nistet sich der Embryo in die Gebärmutterschleimhaut ein, wird er wesentlicher Bestandteil der (Leih-)Mutter, da die Nidation eine wirkliche Implantation in den Uterus darstellt und nicht nur eine Anheftung an die Gebärmutterschleimhaut. Der Embryo ist ab diesem Zeitpunkt von der Versorgung durch die Mutter abhängig und kann nicht getrennt werden, ohne selbst zerstört zu werden. Im Gegensatz dazu kann der Embryo von der (Leih-)Mutter resorbiert oder abgestoßen werden, ohne dass diese zwangsläufig Schaden nimmt (Merk, aaO, S. 120).
3. Unstreitig hat die Beklagte die unerkannt trächtige Stute L am 29. Juli 2022 gemäß § 929 Satz 1 BGB mittels Einigung und Übergabe von der M GbR übereignet bekommen, sodass die Beklagte Eigentümerin der unerkannt trächtigen Stute L mit all ihren Bestandteilen geworden ist (vgl. Merk, aaO, S. 137).
4. Mit der Geburt, also der Trennung von der Stute, wurde die Beklagte gemäß § 953 BGB als Eigentümerin der Stute L auch Eigentümerin des Fohlens. Hiernach gehören Erzeugnisse und sonstige Bestandteile einer Sache auch nach der Trennung dem Eigentümer der Sache, soweit sich aus den §§ 947 bis 957 BGB nichts anderes ergibt. Anderes ergibt sich hier nicht, auch nicht aus § 956 BGB. Diese Vorschrift regelt den Eigentumserwerb an Erzeugnissen oder sonstigen Bestandteilen aufgrund persönlicher Gestattung durch den dinglichen Berechtigten - in der Regel der Eigentümer - infolge Abtrennung oder Besitzerlangung. Eine Gestattung der Aneignung durch den Kläger hat die Beklagte als Eigentümerin der Stute L zu keinem Zeitpunkt erteilt. An eine etwaig von der...