Leitsatz (amtlich)
1. Eine Kopie des Originaltestaments, welches nicht mehr auffindbar ist, kann als Nachweis genügen, wenn damit die formgerechte Errichtung des Originaltestaments nachgewiesen werden kann.
2. Gemäß § 2255 BGB kann ein Testament dadurch widerrufen werden, dass der Erblasser in der Absicht, es aufzuheben, die Testamentsurkunde vernichtet oder an ihr Veränderungen vornimmt, durch die der Wille, eine schriftliche Willenserklärung aufzuheben, ausgedrückt zu werden pflegt. Hat der Erblasser die Testamentsurkunde vernichtet oder in der bezeichneten Weise verändert, wird vermutet, dass er die Aufhebung des Testaments beabsichtigt hat.
3. Beweisbelastet für den Widerruf einer letztwilligen Verfügung ist derjenige, der seine Rechte aus der gesetzlichen Erbfolge herleiten will.
Verfahrensgang
AG Stralsund (Aktenzeichen 53 VI 175/17) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 3) gegen den Beschluss des Amtsgerichts Stralsund - Nachlassgericht - vom 22.12.2017 wird zurückgewiesen.
2. Der Beteiligte zu 3) trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 190.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Erblasserin verstarb am 13.02.2017 in S.. Sie war die Ehefrau des Beteiligten zu 1) und die Mutter der Beteiligten zu 2). Die Erblasserin und der Beteiligte zu 1) lebten im Güterstand der Zugewinngemeinschaft.
Gesetzliche Erben der Erblasserin sind die Beteiligten zu 1), 2) und der Sohn der Erblasserin, der Beteiligte zu 3).
Die Erblasserin hat mit dem Beteiligten zu 1) ein privatschriftliches gemeinschaftliches Testament vom 30.09.2007 hinterlassen. Dieses wurde am 06.03.2017 eröffnet. Das Testament wurde vom Beteiligten zu 1) geschrieben und sodann von beiden Eheleuten unterschrieben. Hiernach sollte die Erblasserin allein vom Beteiligten zu 1) beerbt werden.
In dem Testament heißt es u.a.:
"Testament vom 30.09.2007
Von I.R. und K.R.
Die gemeinsame Wohnung im Haus, einschließlich Ferienwohnung u. Garage erbt der überlebende Ehepartner I.R. u. K.R.
ebenso soll verfahren werden mit den bestehenden Konten u. Guthaben. ..."
Das Testament wurde geöffnet vom Beteiligten zu 1) beim Amtsgericht Stralsund abgegeben.
Die Beteiligten zu 1) und 2) behaupten, die Erblasserin habe ihre Unterschrift im Nachhinein wahrscheinlich geweißt. Ein gemeinsamer Aufhebungs- oder Widerrufswille habe zu keiner Zeit bestanden. Durch den einseitigen Widerruf des gemeinschaftlichen Testaments mit wechselbezüglichen Verfügungen werde die letztwillige Verfügung nicht unwirksam.
Der Beteiligte zu 1) stellte vor dem Amtsgericht Stralsund - Nachlassgericht - am 14.03.2017 einen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins, der ihn als testamentarischen Alleinerben nach der Erblasserin ausweist.
Die Beteiligte zu 2) hat ihr Einverständnis mit der Erteilung des beantragten Erbscheins erklärt.
Der Beteiligte zu 3) ist der Erteilung des beantragten Erbscheins entgegengetreten und hat im Wesentlichen folgende Bedenken gegen die Wirksamkeit des Testamentes geltend gemacht.
Aus dem grundsätzlichen Schriftbild des Beteiligten zu 1) ergebe sich, dass dieser am Seitenanfang zunächst mit breitem Zeilenabstand schreibe, der sich zum Ende hin immer weiter verkleinere. Demnach sei schon belegt, dass der Absatz unter dem ersten Spiegelstrich auf der angeblich ersten Seite des Testaments nachträglich von dem Beteiligten zu 1) eingefügt worden sei. Es sei nicht erkennbar, wann diese Einfügung gemacht worden sei und ob sich die Unterschrift der Erblasserin noch darauf bezogen habe.
Die Unterschrift der Erblasserin sei nicht vorhanden, so dass nicht feststellbar sei, ob das Testament von ihr unterschrieben und ob ihre Unterschrift vor Unterzeichnung durch den Beteiligten zu 1) geweißt wurde. Gerade vor dem Hintergrund, dass die Erblasserin entgegen § 2267 S. 2 BGB nicht Zeit und Ort ihrer etwaigen Unterschrift beigefügt habe, sei davon auszugehen, dass eine wirksame Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments nicht vorliege.
Weiter sei inhaltlich zu beanstanden, dass hier unter Außerachtlassung des nachträglich eingefügten Spiegelstriches gerade keine ausdrückliche gegenseitige Einsetzung im Sinne von § 2269 BGB stattgefunden habe, geschweige denn wechselbezügliche Verfügungen getroffen worden seien. Deshalb hätten die Verfügungen auch jederzeit widerrufen werden können, etwa durch weißen der Unterschrift.
Im Anhörungstermin vom 25.07.2017 wurden die Beteiligten zu 1) bis 3) durch das Amtsgericht angehört. Wegen der Angaben der Beteiligten wird auf das Protokoll vom 25.07.2017 Bezug genommen. In dem Anhörungstermin wurde vom Beteiligten zu 1) eine Kopie des Testamentes übergeben, die dieser einige Tage vor dem Termin in einer Dokumentenmappe der Erblasserin gefunden habe, und die die ungeweißte Unterschrift der Erblasserin abbildet.
Mit Beschluss vom 22.12.2017 hat das Amtsgericht Stralsund die Tatsachen, die für die Erteilung des beantragten Erbscheins erforderlich sind, für gegeben erachtet. Wegen der Entscheidungsgründe w...