Leitsatz (amtlich)
1. Beschließt die Gesellschafterversammlung einer geschlossenen Immobilienfonds in der Rechtsform der GbR im Hinblick auf die Kündigung der Mitgliedschaft durch einen Gesellschafter entsprechend dem Gesellschaftsvertrag ohne dessen Mitwirkung die Liqudiation der Gesellschaft mit der Folge, dass der Kündigende Mitglied der Liquidationsgesellschaft bleibt, dann ist dieser berechtigt, an Folgeentscheidungen über die Durchführung der Liquidation wie die Bestellung und Vergütung des Liquidators mitzuwirken.
2. Wird der Kündigende zur Beschlussfassung über solche Folgeentscheidungen leichtfertig oder absichtlich nicht eingeladen, sind die ohne seine Mitwirkung gefassten Beschlüsse nichtig, weil der mit dem Einladungserfordernis bezweckte Dispositionsschutz verletzt ist und zudem - hier - nach dem Gesellschaftsvertrag die Beschlussfähigkeit nur bei ordnungsgemäßer Einladung gegeben ist.
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 14.03.2006; Aktenzeichen 9 O 495/05) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Stuttgart vom 14.3.2006 - Az. 9 O 495/05 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn der Kläger vor der Vollstreckung nicht Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Streitwert: 8.000 EUR.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Rechtmäßigkeit von Beschlüssen der Gesellschafterversammlung der beklagten Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die zur Umsetzung eines Liquidationsbeschlusses gefasst worden sind.
1. Die Beklagte ist eine Publikumsgesellschaft, die zum Zweck der Errichtung, Verwaltung und Vermietung einer Immobilie gegründet worden ist (Gesellschaftsvertrag vom 16.11.1989, K. 5, Bl. 17). Neben einer Vielzahl weiterer Anleger ist auch der Kläger der Beklagten mit einer Einlage von 70000 DM über einen mit umfangreichen Vollmachten ausgestatteten Treuhänder beigetreten. Wie viele andere Gesellschafter ließ auch der Kläger die Mitgliedschaft fristlos kündigen, weil der Beitritt nach der Rechtsprechung des II. Zivilsenats des BGH wegen eines Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz nichtig sei (Anwaltsschreiben vom 27.7.2005, K2, Bl. 13). Die Geschäftsführerin der Beklagten, die Fa. XY. Gesellschaft mbH & Co. Geschäftsführungs KG (im Folgenden: XY.), wies diesen Kündigungsgrund zurück, nahm aber eine wirksame ordentliche Kündigung an. Sie lud die übrigen Gesellschafter, die keine Kündigung erklärt hatten, zu einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung am 20.9.2005 ein. Dort wurde entsprechend der Vorlage der XY. die Liquidation der Beklagten beschlossen, die XY. zur Liquidatorin bestellt und deren Kompetenzen mit Vollmachten sowie Vergütung geregelt (wegen des genauen Wortlauts wird auf das Protokoll der Gesellschafterversammlung, K. 6, Bl. 30, sowie auf den nachfolgend wiedergegebenen Klageantrag Nr. 1 Bezug genommen). Nach diesen Protokollen waren für die jeweilige Stimmenmehrheit die von der XY. abgegebenen Stimmen anderer Gesellschafter maßgebend, die sie teils aufgrund ausdrücklich erteilter Stimmrechtsvollmachten, teils unter Berufung auf entsprechende Vollmachtsklauseln im Gesellschaftsvertrag vertrat.
Der Kläger hat den Beschluss über die Liquidation als solche akzeptiert, aber mit der Klage die Nichtigkeit der Folgebeschlüsse geltend gemacht. Diese seien nicht ordnungsgemäß zustande gekommen, weil die kündigenden Gesellschafter nicht zu der Versammlung eingeladen worden seien. Die Beklagte sei verpflichtet, eine erneute Gesellschafterversammlung zur Beschlussfassung über diese Punkte einzuberufen.
Der Kläger hat beantragt:
a) Es wird festgestellt, dass der Beschluss der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 20.9.2005 insoweit nichtig ist, als beschlossen wurde, dass "in Übereinstimmung mit dem Gesellschaftsvertrag die XY. Gesellschaft mbH & Co. Geschäftsführungs KG zum Liquidator bestellt wird. Der Liquidator wird beauftragt und bevollmächtigt, in Übereinstimmung mit dem Gesellschaftsvertrag den Immobilienbesitz bestmöglichst zu verwerten, auch unter Einschaltung von Maklern zu üblichen Provisionen. Führen diese Verkaufsmaßnahmen nicht in angemessener Zeit zu einem Verkaufserfolg, wird der Liquidator beauftragt und bevollmächtigt, die Teilungsversteigerung durchzuführen. Das Honorar des Liquidators bis zum Abschluss der Liquidation beträgt 730 EUR pro Monat für die im Geschäftsführervertrag festgelegten Leistungen. Darüber hinaus gehende Leistungen im Zusammenhang mit der Liquidation werden auf Stundenbasis mit 85 EUR zzgl. gesetzlicher Mehrwertsteuer abgerechnet. Die dem Geschäftsführer erteilten Vollmachten gelten für den Liquidator auch für dessen Tätigkeit fort."
b) Die Beklagte wird verurteilt, unverzüglich eine Gesellschafterversammlung gemäß den Festsetzungen des Gesellschaftsvertrages, spätestens jedoch binnen zwei Monaten ab Rechtskraft des vorlieg...