Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 12.07.2017; Aktenzeichen 21 O 393/16) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 12.07.2017, Az. 21 O 393/16, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieses Urteil sowie das in Ziff. 1 genannte Urteil des Landgerichts Stuttgart sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des insgesamt für den Kläger vollstreckbaren Betrages abwenden, es sei denn, der Kläger leistet vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 588.000 EUR
Gründe
I. Der Kläger macht als Insolvenzverwalter Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte als Hinterlegungsstelle nach § 149 InsO wegen der Verletzung insolvenzrechtlicher Pflichten geltend.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der A.-H. GmbH & Co. KG. Vormaliger Insolvenzverwalter war Prof. Dr. H., der wegen Veruntreuung der Insolvenzmasse aus wichtigem Grund aus seinem Amt entlassen wurde. Prof. Dr. H. legte die Insolvenzmasse auf einem Rechtsanwalts-Anderkonto bei der K. Volksbank eG, die am 18. August 2016 mit der Volksbank S. eG verschmolzen wurde (im Folgenden: Beklagte), an. Am 15. Januar 2014 und - nach einem erneuten Geldeingang auf dem Anderkonto - am 20. August 2014 überwies er mit zwei Vorgängen insgesamt 590.000 EUR von dem Anderkonto auf sein Kanzleikonto, mit der Folge, dass auf dem Anderkonto jeweils nur noch ein geringes Restguthaben verblieb. Unter Berücksichtigung einer Rückzahlung von 2.000 EUR belaufen sich die aus der Insolvenzmasse verfügten Gelder auf 588.000 EUR. Die Überweisungsaufträge wurden der Beklagten in Papierform eingereicht, von ihr geprüft und freigegeben. Als Verwendungszweck wurde durch Prof. Dr. H. jeweils "Neuanlage" angegeben.
Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte habe ihre spezifischen insolvenzrechtlichen Pflichten als Hinterlegungsstelle im Sinne von § 149 InsO verletzt. Aufgrund ihrer besonderen Rechtsstellung als Hinterlegungsstelle hätte sie darauf achten müssen, dass sich der Insolvenzverwalter bei die Insolvenzmasse betreffenden Verfügungen innerhalb seines insolvenzrechtlich vorgegebenen Aufgabenkreises bewege. Insoweit sei sie verpflichtet gewesen, sich Verfügungen, die gegen § 149 InsO verstoßen, zu widersetzen. Im Hinblick auf die außergewöhnliche Höhe, die Entnahme nahezu der gesamten Guthaben, des Verwendungszwecks "Neuanlage" und der Tatsache der Überweisung auf das Kanzleikonto sei für die Beklagte erkennbar gewesen, dass die Umbuchungen insolvenzzweckwidrig gewesen seien. Sie habe die entsprechenden Überweisungen daher nicht vornehmen dürfen. Jedenfalls hätte sie das Insolvenzgericht informieren oder dort nachfragen müssen.
Die Beklagte ist der Auffassung, ihr sei bereits nicht die Eigenschaft einer Hinterlegungsstelle im insolvenzrechtlichen Sinne zugekommen. Zudem messe die jüngere Rechtsprechung der Rolle als Hinterlegungsstelle keine eigenständige Bedeutung mehr zu. Aus dieser Stellung resultierten keine besonderen insolvenzrechtlichen Pflichten der Beklagten. Ferner habe es sich bei dem Konto um ein offenes Treuhandkonto gehandelt. Das dort verbuchte Guthaben habe damit nicht zur Insolvenzmasse gehört.
Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die tatbestandlichen Feststellungen des Landgerichts Bezug genommen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Leistung von Schadensersatz verurteilt. Nach Auffassung des Landgerichts habe der vormalige Insolvenzverwalter die Insolvenzmasse auf einem Anderkonto bei der Beklagten hinterlegt. Damit sei ein Schuldverhältnis der Beklagten zur Insolvenzmasse begründet worden. Die Beklagte habe ihre Pflicht, die Insolvenzmasse zu schützen, verletzt. Bei Anhaltspunkten für eine zweckwidrige Verwendung sei sie verpflichtet gewesen, masseschützende Maßnahmen zu ergreifen. Solche Anhaltspunkte hätten hier im Hinblick auf die Höhe der Überweisungen, die jeweils das gesamte Guthaben abgeschmolzen hätten, vorgelegen.
Die Beklagte verfolgt ihren erstinstanzlich gestellten Klagantrag mit der am 28. August 2017 eingegangenen und am 24. November 2017 begründeten Berufung weiter. Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen und wendet sich insbesondere gegen die Beurteilung des Landgerichts, sie sei als Hinterlegungsstelle mit den daraus folgenden insolvenzrechtlichen Verpflichtungen bestimmt worden. Es fehle bereits an einer entsprechenden Anordnung des Insolvenzgerichts. Außerdem bedürfe die Rechtsprechung, wonach es auf die Kenntnis der Bank von der Benennung als Hinterlegungsstelle nicht ankomme, der Korrektur. Auch habe es sich bei dem in Rede stehenden Konto um ein Anderkonto gehandelt, bei dem sie gegenüber ihrem Vertragspartner, dem vormaligen Insolvenzverwalter, zur Wahrung des Bankgeheimnis...