Leitsatz (amtlich)
Lassen sich Schädlinge (hier: Dickmaulrüssler) auf einem Komposthaufen nieder und befallen sie von dort aus das Nachbargrundstück und zerstören dort eine Plantage, so haftet der Eigentümer des Komposthaufens nur dann, wenn durch diesen eine konkrete Gefahrenquelle geschaffen wurde und der Schädlingsbefall begünstigt worden ist.
Verfahrensgang
LG Heilbronn (Urteil vom 08.04.2004; Aktenzeichen 3 O 625/03-III) |
Tenor
1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des LG Heilbronn vom 8.4.2004 - 3 O 625/03-III - wird zurückgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 30.921,50 Euro.
Gründe
I. Die Kläger als Eigentümer eines mit Johannisbeerbüschen bepflanzten landwirtschaftlichen, ca. 0,8 ha großen Grundstücks, Parzelle Nr. 4060 im Gewann Seitenäcker, Laufen, verlangen von dem Beklagten, dem Pächter eines landwirtschaftlichen Nachbargrundstücks, Parzelle Nr. 4050, Schadensersatz i.H.v. 30.921,50 Euro (Kosten der Rodung, Neubepflanzung und Unkrautbehandlung sowie entgangenem Gewinn durch Minderertrag neuer Jungpflanzen etc.) wegen Zerfressens ihrer Johannisbeerplantage durch Dickmaulrüssler und deren Larven im Jahr 2002, die von einem auf dem Pachtgrundstück des Beklagten befindlichen Komposthaufen stammen sollen, wobei die Kompostierung nur durch einen Feldweg vom Grundstück der Kläger getrennt war. Wegen der Einzelheiten wird auf sämtliche Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen im ersten Rechtszug und auf die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des LG Heilbronn Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Das LG Heilbronn hat mit Urteil vom 8.4.2004 die Klage abgewiesen mit der Begründung, der Beklagte hafte für die Zerstörung der Johannisbeerplantage der Kläger nicht, weil diese ausschließlich auf Naturkräften beruhe und das Anlegen des Komposthaufens auf einer landwirtschaftlich genutzten Fläche keine besondere Gefahrenquelle darstelle.
Mit ihrer Berufung, die sich nur noch gegen den Beklagten, nicht mehr gegen seine in erster Instanz mitverklagte Ehefrau richtet, erstreben die Kläger weiterhin vollen Schadensersatz im wesentlichen mit der Begründung, durch die Anlegung und den mehrjährigen Betrieb des Komposthaufens, der mit der Bewirtschaftung des Pachtgrundstücks des Beklagten als Weinberg nicht in Zusammenhang stehe, habe der Beklagte eine Gefahrenquelle geschaffen, da die Kompostierung durch Zurückhaltung von Kompostresten mit der Folge der Ansäuerung des neu hinzugekommenen Abfallmaterials die Käfer- und Larvenbildung ermöglicht habe, so dass die Zerstörung ihrer Johannisbeeranlage nicht auf einem bloßen Naturereignis beruhe.
Die Kläger beantragen,
1. das Urteil des LG Heilbronn vom 8.4.2004 (LG Heilbronn, Urt. v. 8.4.2004 - 3 O 625/03-III) wird aufgehoben.
2. Der Berufungsbeklagte wird verurteilt, an die Kläger/Berufungskläger 30.921,50 Euro Schadensersatz nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des Weiteren Vortrags der Parteien in zweiter Instanz wird auf sämtliche Schriftsätze und die vorgelegten Urkunden verwiesen.
Der Senat hat zu den Fragen, ob die Dickmaulrüssler und deren Larven von der Kompostierung des Beklagten stammten und durch diese besonders angezogen worden sind, die Zeugen H., Z., B. und K. vernommen und ein mündlich erstattetes Sachverständigengutachten von Prof. Dr. Z., Institut für Phytomedizin der Universität H., eingeholt. Auf die Protokollniederschrift der Verhandlung vom 18.10.2004 wird verwiesen.
II. Die zulässige Berufung der Kläger hat in der Sache keinen Erfolg.
Den Klägern steht gegen den Beklagten aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt, insb. Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht (§ 823 Abs. 1 BGB), Störerhaftung (§ 823 Abs. 2 i.V.m. § 1004 BGB), Schutzgesetzverletzung (§ 823 Abs. 2 i.V.m. § 907 BGB) oder einem verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch (§ 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog) ein Anspruch auf Schadensersatz wegen ihrer durch Dickmaulrüssler und deren Larven zerstörten Johannisbeeranlage zu.
Gemeinsame Voraussetzung eines Schadensersatzanspruches sowohl aus dem rechtlichen Gesichtspunkt einer Verkehrssicherungspflichtverletzung des Beklagten, einer Störerhaftung, einer Schutzgesetzverletzung wie eines verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs ist der Umstand, dass die schadensverursachende Gefahr nicht auf einem zufälligen, von menschlicher Einwirkung weitgehend unabhängigem Naturereignis beruht (BGH v. 16.2.2001 - V ZR 422/99, MDR 2001, 628 = BGHReport 2001, 393 = NJW-RR 2001, 1208 ff.). Vielmehr muss die Eigentumsbeeinträchtigung wenigstens mittelbar durch eigene Handlungen oder ein pflichtwidriges Unterlasse...